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- Ockhams Rasiermesser in der Skeptikerbewegung
Geisteswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 52
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entstandene Skeptikerbewegung, deren prominenteste Vertreter das Committee for Skeptical Inquiry (CSI) und hierzulande die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Paraphänomenen (GWUP) sind, hat es sich zum Ziel gesetzt, mit vermeintlich wissenschaftlicher Methodik das Vordringen von Esoterik und Pseudowissenschaften in der Gesellschaft zu bekämpfen. Hierbei lässt sie allerdings selbst grundlegende wissenschaftstheoretische Regeln völlig außer Acht, wie die vorliegende Untersuchung anhand der Verwendung von Ockhams Rasiermesser in der Skeptikerbewegung nachweist. Dabei wird nicht nur die fahrlässige Arbeitsweise der Skeptiker analysiert, sondern auch aufgezeigt, dass das Rasiermesser selbst seine hohe Reputation in der Wissenschaftstheorie oftmals zu Unrecht genießt.
Textprobe: Kapitel 2, Der falsche Gebrauch von Ockhams Rasiermesser: Drei mögliche abgewandelte Versionen des ursprünglichen Ockham’schen Rasiermessers listet Gernert zum Ende dieses Abschnitts hin auf: 1) das Parsimonieprinzip ( ‘principle of parsimony ‘ ), das der Originalversion am nächsten komme und behutsame Umsicht fordere, was die Prägung neuer Begrifflichkeiten und Konzepte anginge , 2) das Einfachheitsprinzip ( ‘principle of simplicity ‘ ), das abziele auf ‘explanations, reasons, theories, etc., which should be as simple as possible ‘ und 3) die Forderung nach Ausschluss unnötiger Zusatzannahmen ( ‘demand for an exclusion of unnecessary additional hypotheses ‘ ). Auf den folgenden dritten Absatz auf S. 136 soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Wichtig ist hier nur, dass der Autor auch auf andere Konzepte zum Umfang von Theorien und Begriffen eingeht und den wichtigen Hinweis gibt, dass bis heute ungeklärt sei, was unter ‘concepts like ‚simpler theory’ and ‚unnecessary additional hypothesis’ ‘ überhaupt zu verstehen sei. Der vierte Abschnitt von S. 137-139 ist in vier Unterabschnitte gegliedert und trägt den Namen ‘4. The Myth of Simplicity ‘, in Anspielung auf ein Werk gleichen Namens des argentinischen Philosophen Mario Bunge , in dem dieser sich ebenfalls kritisch mit Ockhams Rasiermesser auseinandersetzt. Unterabschnitt ‘4.1. The Scientist and the ‚Unknown Unknown’ ‘ wirft einen Blick zurück in die Wissenschaftsgeschichte und führt unter Verweis auf einen Fachaufsatz Henry Bauers als Quelle vieler Forschungsirrtümer die Unterscheidung zwischen dem bekannten Unbekannten, ‘which can be derived from secured knowledge (and hence is suitable for research proposals ‘ und dem unbekannten Unbekannten an, ‘that cannot be expected on the basis of the state of knowledge ‘ . Hier nun schlägt Gernert denn auch den Bogen zur eingangs erwähnten ‘unjustified rejection of phenomena ‘ : Wo er anfangs Erscheinungen wie Meteoriten und Kugelblitze zu den Phänomenen rechnete, die von der scientific community ungerechtfertigt zurückgewiesen und nicht wissenschaftlich anerkannt worden seien, erläutert er nun, wie es dazu gekommen sei, dass der wissenschaftliche Mainstream diesen Naturereignissen die Akzeptanz verweigert habe: The scepticism against reports supplied by laymen [bezüglich der Meteoritenbeobachtungen, K.S.] […] induced a persistent deterioration of the faculty of judgement, such that even substantiated evidence and experts' reports […] were dismissed under the same prejudice. Being accustomed to categorize phenomena within the usual conceptual and explanatory schemes, scientists easily run the risk of a reductionist trap, finally being content with such a sloppy categorization, however wrong it may be. Den ersten Unterabschnitt beschließt Gernert, indem er ein Muster erläutert, das er die ‘ ‚discovery before the discovery’ ‘ nennt: Bereits vor Lavoisier habe es drei Chemiker gegeben, die Sauerstoff hergestellt, diesen jedoch irrtümlich als ein schon bereits bekanntes Gas eingestuft hätten . Ähnlich habe es sich bei der Entdeckung des Planeten Uranus verhalten, der vor seiner offiziellen Anerkennung als neuer Planet mindestens schon 17 mal beobachtet worden sei . Wenngleich Gernert es in diesem Abschnitt nie offen ausspricht, so macht er doch indirekt vielfältig deutlich, dass er ‘Einfachheit ‘ als empirisches Kriterum auf dem Weg zur Wahrheitssuche – und damit natürlich auch Ockhams Rasiermesser – ablehnt. Dies wird nicht nur an der Formulierung reductionist trap, der ‘reduktionistischen Falle ‘ also, deutlich, sondern zeigt sich darüber hinaus auch in seinem Rückverweis auf Bauer. Dieser hatte nämlich nicht nur die bereits erwähnte Unterscheidung zwischen dem bekannten und dem unbekannten Unbekannten eingeführt, sondern stellte laut Gernert auch die These auf, dass ‘open-mindedness for the new exists only so long as the new things are not too new ‘ . Sind also gewisse Erscheinungen zu neu, so mache sich im akademischen Lehr- und Forschungsbetrieb ein Skeptizismus breit, der dazu führe, diese Anomalien in reduktionistischer Manier zurückzuweisen, so also Gernert. Denkt man dieses Szenario nun zu Ende, so ist es nicht weit hergeholt zu folgern, dass Mainstream-Wissenschaftler sich der falschen Version von Ockhams Rasiermesser (Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem) bedienen könnten, um ihr Ziel – die Zurückweisung wissenschaftlicher Anomalien – zu erreichen. Unser Autor denkt hier also radikal anti-Kuhnianisch: Auftretende Anomalien würden demnach also nicht, wie Kuhn es noch behauptet hatte , zur Ablösung eines alten und somit zur Errichtung eines neuen Paradigmas führen, sondern die Vertreter des alten Wissenschaftsparadigmas bedienten sich der verstümmelten und mit seiner Originalfassung nichts mehr gemein habenden Version von Ockhams Rasiermesser. Dies alles wird bei Gernert nie offen ausgesprochen, muss als zugrundeliegender Subtext jedoch stets mitbedacht werden und ergibt sich mit zwangsläufiger Notwendigkeit, wenn man seine Ausführungen konsequent zu Ende denkt.
Kim Schlotmann, B.A., wurde 1987 in Hamm geboren. Sein Studium der Philosophie und der Germanistik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster schloss der Autor im Jahre 2014 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts erfolgreich ab. Sein Interesse an Wissenschaftstheorie und dem Demarkationsproblem sowie dem soziokulturellen Umgang mit Pseudowissenschaften motivierte ihn dazu, sich näher mit den Hintergründen und Methoden der sogenannten ‘Skeptikerbewegung’ auseinanderzusetzen.
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