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- "Manipulative" Fotografie: Eine Betrachtung am Beispiel von Andreas Gursky
Geisteswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 44
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Ziel dieser Arbeit ist es, die digital manipulierte Fotografie bei Andreas Gursky als künstlerisches Ausdrucksmittel im Hinblick auf ihre gestalterische Bildwirkung zu betrachten. Da Gursky die digitalen Bearbeitungsmöglichkeiten seit 1991 nutzt, beschränkt sich die Betrachtung auf wenige ausgewählte, seit diesem Zeitpunkt realisierte Werke. Anhand von Eigenaussagen des Fotografen wird dabei auch der künstlerische und gestalterische Arbeitsprozess der Bildfindung berücksichtigt, über den sich die manipulativen Veränderungen und Neuinterpretationen von Realität zeigen.
Textprobe: Kapitel 3.2, Möglichkeiten der Beeinflussung: Auch in Anbetracht unterschiedlicher Intentionen, den fotografischen Prozess und seine Ergebnisse hinsichtlich der Bildwirkung zu beeinflussen, ist dies durch Kenntnis des technischen und chemischen Herstellungsprozesses bereits seit Anbeginn der Fotografie und nicht erst seit Anbruch des digitalen Zeitalters möglich. Jedoch scheinen die Möglichkeiten mit zunehmender technischer Entwicklung zu wachsen, wobei sich dabei auch zunehmend die ontologische Frage stellt, ob oder inwieweit sich mit der Digitalisierung der Fotografie ihr Wesen und ihr authentischer Charakter verändern. Die scheinbare Objektivität der Kamera kann während des gesamten Herstellungsprozesses der Handschrift und Absicht des Fotografen unterliegen. Abgesehen von einer Inszenierung der zu fotografierenden Objekte, lässt sich sowohl während der Aufnahme als auch im anschließenden Entwicklungsprozess von Negativ und Positiv oder über die digitale Bildbearbeitung eine Beeinflussung vornehmen. Während sich die Aufnahmebedingungen für Kamera und Optik nicht verändern, unterscheiden sich herkömmliche und digitale Fotografie im Aufnahmeprozess hinsichtlich des Aufnahmematerials, seinen spezifischen Anforderungen und seiner Informationsdichte voneinander. Wohingegen der chemische Prozess bei der anschließenden Herstellung des Negativs als Zwischenprodukt zwar durch den digitalen Bearbeitungsprozess ersetzt wird, jedoch chemische Verfahren selbst bei der Bildherstellung von digitalen Dateien weiterhin Anwendung finden. Da die Fotografie nur einen räumlichen und zeitlichen Ausschnitt, ein Segment der Wirklichkeit darstellt, kann bereits die Aufnahme mit der Wahl des Wirklichkeits-ausschnitts, der durch Kadrierung und zeitliche Fixierung begrenzt ist, als eine selektive Beeinflussung betrachtet werden. Das Kameraformat entscheidet mit seiner Größe über Flexibilität oder Präzision und technische Genauigkeit der Aufnahme, vom entsprechenden Aufnahmematerial hängt dabei dessen Vergrößerungsfähigkeit und die weitere Verarbeitungsmöglichkeit ab. Der Bildwinkel und damit auch gegebenenfalls eine zum Augeneindruck differenzierte Wahrnehmung der Objektstaffelung im Raum, lässt sich durch die Objektivwahl mit entsprechender Brennweite beeinflussen. Wobei eine Normalbrennweite der allgemeinen Sehempfindung entspricht, während längere Brennweiten mit ihrem kleineren Bildwinkel eine Raffung des Raumes erzielen, im Gegensatz dazu kürzere Brennweiten mit ihrem größeren Bildwinkel optisch eine räumliche Erweiterung bis hin zur Verzerrung erreichen. Hierdurch kann dem Betrachter bereits eine veränderte räumliche Wahrnehmung von Nähe und Distanz suggeriert werden. Bei gleichbleibendem Aufnahmestandpunkt verändert sich jedoch die Perspektive durch unterschiedliche Brennweiten nicht. Mit der Wahl des Aufnahmestandpunkts, der sich in Abweichung über oder unter der allgemeinen Betrachtungshorizontalen befinden kann, lässt sich die Perspektive außerhalb der allgemeinen Seherfahrung verändern. Während aus der Vogelperspektive Objekte wesentlich kleiner erscheinen und sich dem Betrachter eine überblicksartige und distanziertere Sicht bietet, gewinnen Objekte aus Froschperspektive scheinbar an Größe und verändern ebenso ihre Relation zum Betrachter. Sowohl die Richtung des Lichtes als auch seine Intensität und Verteilung über den Bildraum suggerieren durch das entsprechende Kontrastverhältnis eine plastische und damit räumliche Wirkung, wobei auch die Blickrichtung des Betrachters von den helleren zu den dunkleren Partien des Bildes geführt und gelenkt wird. Die Art des Aufnahmematerials, welches u.a. in seiner Tonwertwiedergabe oder in seinem Kontrastverhalten durch entsprechende Filter bei der Aufnahme angepasst werden kann, bedingt die anschließende Weiterver- und Nachbearbeitung, wobei eine Korrektur von Kontrast, Farbtonwerten und Bildausschnitt möglich ist. Während in der so genannten analogen Fotografie nur eine subtraktive Korrektur, also das Entfernen von Bildelementen beispielsweise über Negativretusche realisierbar ist, ermöglicht die digitale Bearbeitung auch additive Veränderungen, das Hinzufügen von Bildelementen. Zwar ließen sich in der herkömmlichen Fotografie über Mehrfachbelichtungen, Negativüberlagerungen oder Klebemontagen mit anschließender Reproduktion einzelne Elemente hinzufügen, jedoch erfordert dies hinsichtlich überzeugender Proportionen und plausibler perspektivischer Verhältnisse hohe Präzision, wobei diese Verbindungslinien für den Betrachter meist sichtbar wären. Dagegen können über die digitale Bildbearbeitung solche Verknüpfungsebenen mit Realität suggerierender Absicht weitestgehend unsichtbar bleiben, sofern sie den allgemeinen Sehgewohnheiten des Betrachters inhaltlich oder formal nicht widersprechen. Dabei lassen sich über entsprechende Bildbearbeitungsprogramme einerseits wie im herkömmlichen Dunkelkammerprozess u.a. Bildausschnitt, Kontrastverhalten und Tonwertwiedergabe korrigieren, andererseits aber nicht nur einzelne Bildbestandteile optisch rückstandsfrei entfernen, sondern auch Bildelemente unterschiedlicher Quellen zusammenfügen oder einzelne, aus Pixeln bestehende Bildsegmente verändern. Nach Peter Lunenfeld sind die Pixel, denen als Komponente einer Computergrafik mathematische Werte zugeordnet sind, in ihren Eigenschaften modifizierbar. So dass neben der perspektivisch veränderten Darstellung wie dem Skalieren oder Transformieren, der Künstler das Foto morphen, klonen, überlagern, filtern, weichzeichnen, scharfzeichnen, spiegeln, invertieren kann. Zwischen optimierender Beeinflussung und einer die Realität verfremdenden Manipulation verlaufen dabei die Grenzen fließend. Da sich die Bearbeitungsmöglichkeiten unterdessen subtil gestalten, werden sie für den Betrachter nur noch im direkten Vergleich mit der originalen Aufnahme sichtbar. Gleichwohl die Aussichten für die Umsetzung künstlerischer Ideen unbegrenzt zu sein scheinen, kann bei alledem auch eine fortschreitende Technik mit grenzenlos anmutenden digitalen Möglichkeiten das qualitative Handwerk des Fotografen bei der Aufnahme nicht ersetzen.
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