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- Die 'Villa der Lilien': Ein minoisches Gebäude in Amnisos auf Kreta
Geisteswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 48
Abb.: 20
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die in diesem Buch behandelte 'Villa der Lilien' stellt, aufgrund ihrer qualitativ hochwertigen Architektur und aufgrund ihrer berühmten Ausstattung mit Fresken, wie dem bekannten Lilienfresko, dem Minzenfresko und dem Papyrusfresko, ein wissenschaftlich und historisch herausragendes Monument der Minoischen Kultur der Ägäischen Bronzezeit dar. Anhand der Architektur des Gebäudes kann man Rückschlüsse auf Zeitstellung, Bedeutung und Funktion des Baues ziehen. Ebenso ist es möglich, Erkenntnisse darüber durch eine Auswertung der in der 'Villa' gefundenen Reste, der Ausstattung und des Inventars zu gewinnen. Das sind bei der 'Villa der Lilien' als Bestandteil der ursprünglichen Ausstattung die Freskenbruchstücke und als Bestandteil des ursprünglichen Inventars die gefundene Keramik. Zu beachten sind die großen Herausforderungen und offenen Fragestellungen, die beim Blick auf den topographischen Kontext der 'Villa der Lilien' und bei der vorgenommenen Einordnung in den Bautyp 'Minoische Villa' auftauchen. Aus dem Befund ergeben sich insgesamt sehr wichtige Kenntnisse über dieses Gebäude, das 3500 Jahre unter der Erde seiner Entdeckung harrte.
Textprobe: Kapitel 4.1, System von Betancourt / Marinatos: Der archäologische Befund, auf den die Ausgräber bei den 'Minoischen Villen' trafen, bildete die Grundlage für Klassifikationsversuche derselben, sozusagen die Einordnung der Gebäude in verschiedene Subkategorien. Aufeinander in Teilen logisch basierende, sich aber leider auch teilweise (auch in sich selbst) widersprechende Einordnungen erfolgten durch die Archäologen P.P. Betancourt und N. Marinatos J. McEnroe und S.-Westerburg-Eberl.Betancourt und Marinatos entwickeln basierend v.a. auf der Lage der Gebäude ein System, bei dem sie die 'Villen' in die Kategorien 1.’Country Villa’(=‘Landvilla’), 2.’Manorial Villa’ (manorial=herrschaftlich’) und 3.’Urban Villa’(urban=städtisch) unterscheiden (63). Die erste Kategorie bilden nach ihrer Meinung allein in der Landschaft stehende Gebäude, die zweite Kategorie Bauten, die eine (kleinere) Siedlung dominieren, die dritte Kategorie bilden solche, die sich in (größeren) Städten befinden. Es soll dabei auch das Phänomen auftreten, dass die ‘Landvillen’ multifunktioneller sind als die ‘Manorial Villas’ und die ‘Urban Villas’ dann die stärkste Spezialisierung in den Funktionen aufweisen. Die 'Villa der Lilien' passt am ehesten in die 2. oder 3. Kategorie. Denn bei ihr fehlen zwar die Hinweise auf eine Multifunktionalität, was für eine stärker auf einen Aspekt spezialisierte Funktion des Gebäudes spricht. Andererseits wird es hier schwierig, denn um eine endgültige Entscheidung zwischen der 2. oder 3. Kategorie zu treffen, muss der Charakter und die Größe der Siedlung Amnisos ins Spiel gebracht werden. Ob man diese Siedlung nun als Stadt begreift oder als Vorort von Knossos oder doch als ‘kleineren’ Ort, bildet hierzu die Fragestellung. Ebenso stellt sich die Frage, ob die 'Villa der Lilien' die Siedlung Amnisos dominierte. Dies ist zu verneinen, denn neben der 'Villa' gab es in Amnisos noch mehrere andere palatiale Bauten, die nur nicht ausreichend ergraben sind. Auch die Lage der 'Villa' spricht dagegen, denn sie lag am Ostfuß des Paliochora-Hügels und konnte somit von der westlichen Seite der Stadt überhaupt nicht gesehen werden, es fehlt also die optische Dominanz. Da die 'Villa der Lilien' den Ort Amnisos also nicht dominierte, was eine Voraussetzung bildet für die Zugehörigkeit zur zweiten Kategorie von Betancourt und Marinatos, und da die Größe und Bedeutung der Siedlung Amnisos, sowie der enge Kontext zur großen Stadt und zum Palast von Knossos meines Erachtens auf keinen Fall unterschätzt werden sollte, passt die 'Villa von Amnisos am ehesten in die 3. Kategorie dieses Systems. 4.2, System von McEnroe: Ein weiteres Ordnungssystem, diesmal allgemeiner für neupalastzeitliche Häuser, wurde aufgestellt von John McEnroe. Dieser unterscheidet die Typen I-III, die er aus einem komplexen Vergleich der Gebäude anhand von Größe, Bauart und Raumarten vornimmt und daraus eine Typologie zu entwickeln versucht. Anhand dieser Analyse versucht er die Gebäude in ihrem spezifischen Charakter zu erfassen. Grundlage der Klassifizierung bildet hier also die Architektur, und nicht wie im System von Betancourt und N. Marinatos der räumliche Kontext. Beim Typ 1 handelt es sich dabei um die größten Gebäude, die sich durch bestimmte Arten von palatialen Räumen ('Lustralbad' usw.), bestimmte Raumarrangements sowie die räumliche Trennung von Wohn- und Arbeitsbereich auszeichnen und den Palästen nahestehen. Typ 2 bilden kleinere Gebäude mit einer durchschnittlichen Größe von 250-300qm, die teilweise ebenso palatiale Räume aufweisen können, aber keine Trennung von Wohn- und Arbeitsbereich aufweisen. Den dritten Typ bilden die mit einer durchschnittlichen Größe von 125 qm kleinsten Gebäude. Jene weisen überhaupt keine repräsentativen bzw. palatialen Räume auf. Die 'Villa' von Amnisos gehört aufgrund ihrer Größe von ca. 515qm (ca. 24x21,5qm) und ihrer palatialen Gesamtarchitektur eindeutig zum Typ 1 in McEnroes Schema. Allerdings passt sie von daher nicht zu McEnroes Unterteilung, dass sie überhaupt keine als solche erkennbaren Arbeits- oder Handwerks- bzw. Wirtschaftsbereiche aufweist, wenn man vom ‘Küchentrakt’ im Südosten und einer Feuerstelle aus Nutzungsphase 2 in Raum 6 absieht. Diese können aber beide zur Wohntätigkeit dazugerechnet werden (Wohnküche zur Eigenversorgung). McEnroe selbst rechnet die 'Villa der Lilien' auch zu Typ1. Die Archäologin Sabine-Westerburg-Eberl entwickelte eine Kategorisierung, die auf dem Siedlungskontext basiert und somit gewissermaßen eine komplexere Weiterentwicklung des von P.P. Betancourt und N. Marinatos entwickelten Systems darstellt. Sie unterteilt die Gebäude in die drei Subklassen ‘palatial’, ‘städtisch’ und ‘ländlich’ (siehe Abbildung 18). Die ‘palatialen Villen’ definiert sie über die direkte räumliche Nähe zu einem Palast und das Fehlen von Vorratsbereichen, sowie prunkvolle Architektur und Ausstattung. Als Bestandteil der Definition dieser Subklasse nennt sie ebenso das Vorhandensein der kanonischen Räume der minoischen repräsentativen Architektur, also einer Pfeilerkrypta (das ist ein kleiner Raum im Erdgeschoss mit Pfeilern), des ‘Lustralbades’ sowie der Polythyronhalle oder Minoischen Halle. Die ‘städtischen Villen’ als zweite Subklasse werden von Westerburg-Eberl hingegen charakterisiert als Gebäude, die sich innerhalb einer großen minoischen Stadt befinden und die (im Unterschied zu den ‘palatialen Villen’ zusätzlich zu Elementen der 'Villenarchitektur' auch Wirtschaftsbereiche, wie Vorratsräume, Werkstätten etc. aufweisen. Als dritte Gruppe definiert sie die ‘ländlichen Villen’. Diese stellt sie als in Architektur und Ausstattung bescheidener und nicht so sorgfältig ausgeführt dar, sowie beschreibt als Hauptmerkmal dass sie den ‘[...] Mittelpunkt einer Kleinsiedlung [...]’ bilden. Insgesamt sieht auch diese Klassifizierung eine Abstufung darin, dass die ‘palatialen’ Gebäude kaum Hinweise auf Wirtschaftsfunktionen liefern, dass dies aber bei den ‘städtischen’ Gebäuden stärker ist und bei den ‘ländlichen Villen’ den Höhepunkt findet. Dies ist genauso wie in dem System von Betancourt und N. Marinatos, die ihre ‘Urban Villas’ in die kultische und administrative Ecke rücken, während sie bei ihren ‘Country Villas’ deren Wirtschaftsfunktionen betonen. Bei dem System von Sabine Westerburg-Eberl wird die 'Villa der Lilien' von Amnisos zu den ‘ländlichen Villen’ gerechnet (siehe Abbildung 18), was nun leider fast überhaupt nicht zum Gebäude passt. Denn die Hafensiedlung Amnisos als Kleinsiedlung zu charakterisieren ist schon zum einen schwierig, zum anderen jedoch stellte die 'Villa' ja, wie schon geschildert (auf Seite 30 unten), nicht deren Mittelpunkt dar. Westerburg-Eberl nennt auch die (Selbstversorgungs-)Wirtschaftsfunktion als wichtiges Merkmal der ‘ländlichen Villen’ (deren Bewohner in der Landwrtschaft tätig gewesen seien), wofür es in der 'Villa' von Amnisos keine Belege gibt. Es macht also keinen Sinn, das Gebäude zu den ‘ländlichen Villen’ zu stellen, denn der Bau passt weder von seiner Lage noch von seiner Funktion dazu. Westerburg-Eberl rechnet ebenso die 'Villa' von Nirou Chani (siehe folgende Seiten) im Text zu den städtischen, in ihrer Abbildung aber zu den 'ländlichen' Villen.
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