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Geisteswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 64
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Weshalb darf der Staat seine Bürgerinnen und Bürger für eine Handlung bestrafen? Diese Frage ist seit der Antike zentral für die politische Philosophie. Es gibt grundsätzlich zwei Ansätze, welche die Frage auf unterschiedliche Weise beantworten. Zum einen kann die Schuld einer Person als hinreichender Grund betrachtet werden, eine Person zu bestrafen. In diesem Fall vertritt man eine retributivistische Theorie. Zum anderen kann man zeigen, dass die Bestrafung von Verbrechern für die Gesellschaft positive Konsequenzen hat. Argumentiert man so, rechtfertigt man die Bestrafung aus konsequentialistischen Gründen. Diese Abhandlung zeigt zunächst die jeweiligen Vor- und Nachteile der Ansätze auf. Aus der Beurteilung folgt dann die Entwicklung einer Theorie, die versucht die beiden Ansätze zu verbinden und die Widersprüche aufzulösen.
Textprobe: Kapitel Prior-Principle-Ansatz: Dieser kurze Abschnitt verfolgt den Zweck, die prior-principle-Methode als geeignetes Mittel zur Herleitung der Rechtfertigung von Strafe zu hinterfragen. Die beiden Ansätze die wir betrachtet haben, der ausgleichende und der wiederherstellende Retributivismus, referieren beide auf ein übergeordnetes moralisches Prinzip. Es handelt sich dabei jeweils um ein Prinzip, das nicht speziell für die Strafe gilt, sondern als Element einer Theorie der Gerechtigkeit fungiert. In der angesprochenen Theorie des ausgleichenden Retributivismus muss es sich um eine ungerechtfertigte relative Freiheit gegenüber den gesetzestreuen Personen handeln. Ungerechtfertigt ist diese Freiheit dadurch, dass das Gesetz selbst moralischer Natur ist. Die Frage ist nun aber, wie die Rechtfertigung von Strafe bei Verstössen gegen amoralische Gesetze gerechtfertigt sein kann. Nehmen wir an, es existiert ein Gesetz, das nicht moralischer Natur ist. Damit sind unter anderem Gesetze gemeint, die aus rein pragmatischen Gründen gelten, wie zum Beispiel der Rechtsverkehr auf den Strassen. Solche Gesetze existieren zwar, um die Individuen zu koordinieren. Wenn das Gesetz gebrochen wird, handelt es sich aber nicht um ein moralisches Vergehen. Die Freiheit, welche sich die Person nimmt, die das Gesetz bricht, ist somit nicht ungerechtfertigt im moralischen Sinne. In diesem Fall gäbe es zwei Arten, wie eine Vertreterin einer solchen Theorie des ausgleichenden Retributivismus reagieren kann. Erstens kann sie auf die Proposition verzichten, dass es sich um ungerechtfertigte Freiheiten handeln muss, die eine Strafe rechtfertigen. Es gibt in diesem Fall aber zwei Möglichkeinen, wie die relativen Freiheiten ausgeglichen werden können. Entweder wird die Person, die dem Freiheitsverzicht ausweicht, bestraft, indem ihr die Freiheit genommen wird. Oder alle anderen Individuen werden gleichsam von der Aufforderung zum Freiheitsverzicht erlöst – das Gesetz wird aufgehoben. Es besteht jedoch kein theorieinterner Grund, die erste Variante zu wählen. Daher kann die Theorie, so gefasst, die Strafe bei Verstoss gegen amoralische Gesetze nicht rechtfertigen und somit die Bedingung (0) nicht erfüllen. Eine zweite Variante um die Bestrafung bei Verstoss gegen amoralische Gesetze zu begründen bestünde darin, jeglichen Verstoss gegen gesetztes Recht als ungerechtfertigt zu charakterisieren. Die Folge wäre ein moralischer (nicht nur methodischer) Rechtspositivismus. Neben grundsätzlichen Problemen des Rechtspositivismus kann man gegen diese Option einwenden, dass Strafe in dadurch notwendig gerechtfertigt ist, weil es ein Gesetz gibt. Somit ist Strafe an sich nicht rechtfertigungspflichtig und die moralische Problematik der Strafe wird durch die Theorie nicht erfasst. Die Bedingung (1) könnte nicht erfüllt werden. Bei der vorgestellten Theorie der Wiederherstellung durch Retribution besteht ein ähnliches Problem. Damit der Ausgleich durch Strafe gerechtfertigt sein kann, muss eine ungerechtfertigte Ungleichheit vorliegen. Wiederum bestehen zwei Arten, wie man diese These zu verstehen kann. Zum einen können Ungleichheiten in dieser Theorie kategorisch als ungerechtfertigt angesehen werden. Dann greift die Theorie aus zwei Gründen zu weit. Einerseits impliziert sie neben der Strafe eine Vielzahl anderer egalitaristischen Normen. Bei Annahme des Prinzips des wiederherstellenden Retributivismus wäre man somit auch zu weitreichenden Umverteilungen verpflichtet, sofern diese zu einem Ausgleich des sozialen Status führen würden. Andererseits ist die Strafe nicht notwendig eine adäquate Reaktion auf ein Verbrechen, da Ungleichheiten verschiedentlich beseitigt werden können. Wie wir im Beispiel des rassistischen Buches gesehen haben, rechtfertigt die Theorie nicht nur Strafe, sondern auch andere Mittel, solange sie dem Zweck der Herstellung von Gleichheit zwischen Verbrecherin und Opfer dienlich sind. Zum anderen kann die Theorie ‘ungerechtfertigt’ mit einem Verstoss gegen geltendes Recht gleichsetzen. Diese Option hätte ebenfalls die unerwünschten Konsequenzen einer rechtspositivistischen Position zur Folge. Eine grundsätzliche Schwierigkeit für Prior-Principle-Ansätze liegt also zusammengefasst in der Tatsache, dass sie der Rechtfertigung von Strafe nicht den Stellenwert eines als isolierten philosophischen Problems einräumen. Die Rechtfertigung der Strafe ist davon abhängig, dass das Gesetzt, das mit ihr durchgesetzt werden soll, selbst gerecht ist. Deshalb genügt die Tatsache, dass ein Gesetz gerecht ist bereits, um zu sagen, dass die Strafe gerechtfertigt ist. Somit wird die Strafe nicht als eigenes moralisches Problem behandelt. Die Bedingung (2) wird nicht erfüllt. Dieses Problem taucht dann auf, wenn ein Gesetz nicht moralischer Natur ist, sondern durch reine Setzung als Element des positiven Rechts besteht. In diesem Fall sind beide Theorien entweder nicht hinreichend zur Rechtfertigung von Bestrafung, weil Ausgleich und Wiederherstellung nicht nur durch das Zufügen von Leid bewerkstelligt werden können. Oder die Theorien rechtfertigen die Strafe mit der Tatsache, dass geltendes Recht gebrochen wurde. Ich wende mich deswegen einer Theorie zu, welche die andere mögliche Strategie zur Rechtfertigung von Strafe verfolgt. Es handelt sich dabei um den intuitionistischen Ansatz, der nicht mit Bezug auf die Gerechtigkeit des Gesetzes argumentiert, sondern die Bestrafung als Handlung selbst betrachtet und somit unmittelbar auf die Frage antwortet, ob Strafe gerechtfertigt ist.
Elias Moser hat an der Universität Bern Philosophie und Wirtschaft im Bachelorprogramm studiert. Danach hat er einen Masterabschluss 'Political and Economic Philosophy' erworben.
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