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Geisteswissenschaften

David Spisla

Die Lyrics der Band Rammstein aus dem Blickwinkel der Literaturwissenschaft

ISBN: 978-3-95684-184-2

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Produktart: Buch
Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 36
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Rammstein gilt als die bekannteste aber auch umstrittenste deutsche Band der Gegenwart. Seit ihrer Gründung 1994 begeistern die sechs Männer aus der ehemaligen DDR mit spektakulären Bühnenshows, einer Kombination aus harter ‚böser‘ Musik mit teilweise tiefgründigen Texten und einer kreativen Mischung verschiedener Musikstile (Techno, Punk, Heavymetal, Industrial) ein weltweites Millionenpublikum. Mit dieser wissenschaftlichen Arbeit soll versucht werden, das Phänomen ‚Rammstein‘ frei von Vorurteilen und insbesondere mithilfe literaturwissenschaftlicher Methoden zu untersuchen. Zunächst wird kurz auf die Entstehungsgeschichte der Band eingegangen. Anschließend wird kritisch untersucht, wie die Band durch die Öffentlichkeit rezipiert wurde. Der Hauptteil dieser Arbeit ist schließlich die Analyse ausgewählter Lyrics (Songtexte).

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Bewusste Provokation oder subtiler Transport politischer Gesinnungen? Es soll nun versucht werden die in der Überschrift erwähnte Fragestellung in Bezug auf den Videoclip von ‚Stripped‘ zu beantworten. Hilfreich ist mir dabei ein Artikel von Prof. Dr. Moritz Baßler mit dem Titel: Rammsteins Cover-Version von Stripped - eine Fallstudie zur deutschen Markierung angelsächsischer Popmusik. Für die Analyse dieses Songs genügt es nicht die Lyrics, also den bloßen Text, zu analysieren. Moderne Musik muss als eine Mischform von Text und Sound gesehen werden. Im Falle von ‘Stripped’ kommt noch die visuelle Dimension der Riefenstahl-Bilder hinzu. Die Thematik der Songtextanalyse werde ich im nächsten Kapitel näher betrachten. Der Song ‘Stripped’ ist ursprünglich ein Song der englischen Popband Depeche Mode. Rammstein ‘covert’’ diesen Song 1998 für einen Beitrag zum Tributes-Album ‘For the Masses’. Hier kann der Leser einen Blick auf die Original-Lyrics dieses Songs werfen: |Stripped| |Come with me| |Into the trees| |We’ll lay on the grass| |And let the hours pass| |Take my hand| |Come back to the land| |Let’s get away| |Just for one day| |Chorus: Let me see you stripped down to the bone (2x)| |Metropolis| |Has nothing on this| |You’re breathing in fumes| |I taste when we kiss| |Take my hand| |Come back to the land| |Where everything’s hours| |For a few hours| |Let me see you stripped down to the bone (2x)| |Let me hear you| |Make decisions| |Without your television| |Let me hear you speaking| |Just for me| |Let me see you| |Stripped down to the bone| |Let me hear you speaking| |Just for me| |Let me see you| |Stripped down to the bone Let me hear you crying| |Just for me| Der grundlegende Topos dieses Songs ist die Rückkehr zur Ursprünglichkeit des Menschen. Frei von den Einflüssen der Zivilisation und der Enge einer Stadt können sich zwei Menschen in der Natur gegenseitig völlig entblößen. M. Baßler übersetzt den Chorus mit ‘Lass mich, ohne alle Vorstellung, dein innerstes Wesen sehen’. Nach dieser Übersetzung wäre der Akt des Entblößens nur auf das Innere des Menschen bezogen. Da es sich jedoch um ein Liebeslied handelt, sehe ich im Chorus durchaus auch ein erotisches Motiv. Interessant ist zu sehen, wie Rammstein dieses ursprünglich sehr sanfte Liebeslied verarbeitet. Der Videoclip beginnt mit der Einblendung einer antiken Ruinenlandschaft aus dem Film Olympia - Fest der Völker / Fest der Schönheit. Alle verwendeten Bilder sind in schwarz-weiß. Gleichzeitig beginnt der Gesang. Man bemerkt sofort, dass der Text mit einem ausgesprochen deutschen Akzent vorgesungen wird, der schon fast dilettantisch klingt. Jeder Rammstein-Kenner erkennt hier sofort die Stimme Till Lindemanns, des Frontsängers der Band mit seinem rollenden ‘r’. Nach kurzer Zeit erscheint ein Diskuswerfer, in dessen Gesicht das Gesicht des Frontsängers für einen kurzen Abschnitt hineinmontiert ist. Dies ist jedoch die einzige Änderung am Filmmaterial. Der Chorus wird reduziert auf den Satz: ‘Let me see you stripped’, übersetzt also ‘Zieh dich aus’. Dadurch entfällt der Bezug auf das Innere. Das rein Körperliche erfährt, wie bei vielen Rammstein-Liedern, eine starke Betonung. Man bemerkt also, dass der Depeche Mode - Song eine völlig neue Paradigmatisierung erhält. Der Song erfährt eine deutliche Markierung als ‘deutsch’. Der deutsche Akzent, die tiefe Stimme Till Lindemanns mit dem rollenden ‘r’ und die Filmaufnahmen Leni Riefenstahls lassen dieses Video unverwechselbar als ‘deutsch’ erkennen. Und genau hier liegt auch das scheinbar ‘Skandalöse’ an diesem Song. Der Text an sich, vorgesungen in einem dilettantischen Englisch, hätte keineswegs ein solches Medieninteresse hervorgerufen. Tatsächlich ist bereits eine Version dieses Covers ohne Video veröffentlicht worden. Der Song droht ein Flop zu werden. Der Autor behauptet, dass Rammstein mit diesem Video die deutsche Öffentlichkeit nicht nur provozieren will. Gleichzeitig will man verhindern, dass die Single ein Flop wird. Dafür spricht vor allem, dass im gesamten Video kein einziges Nazi-Symbol, nicht einmal eine deutsche Flagge zu sehen ist. Ganz im Gegenteil, es werden Flaggen von den USA, Japan und einigen Commonwealth-Nationen gezeigt. Es sind ausschließlich unpolitische Aufnahmen von athletischen Menschen zu sehen. Dennoch steckt in dieser Auswahl an Filmaufnahmen eine deutliche Ambiguität. Dadurch, dass dieser Film in der Nazi-Zeit gedreht worden ist und Leni Riefenstahl ohnehin wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Nazis schon immer kritisiert worden ist, sind die Assoziationen zum Nationalsozialismus natürlich vorhanden. Ebenso ist die Kraft der Bilder, wie z.B. in der Szene mit den Keulenschwingerinnen, immer noch vorhanden. Rammstein muss sich dieser Ambiguität bewusst sein. Die im zweiten Kapitel zitierte Äußerung von Richard Kruspe klingt meiner Ansicht nach unglaubwürdig. Die folgende Äußerung von M. Baßler hingegen bringt die Sache auf den Punkt: ‘Seine erfolgreiche Platzierung im Medienkontext allerdings setzt gerade das Spiel mit dem politischen Tabu voraus, in dem der Rückzug auf das Ästhetische dann nur ein kalkulierter Zug ist.’ Somit sehe ich dieses Video nicht als ein Versuch von Rammstein, rechtsradikale Gesinnungen zu transportieren. Es hat seine Aufmerksamkeit dadurch erhalten, dass hier eine Ästhetik präsentiert wird, die mit vielen Ambiguitäten behaftet ist. Durch die Auswahl der Riefenstahl-Bilder wird ein Kunstgebilde konstruiert, welches mit der ursprünglichen Bedeutung des Liedes nicht mehr viel zu tun hat. Denn obwohl im Text von einem ‘Zurück zur Natur’ die Rede ist, zielt das Video darauf ab, einen Platz in der künstlichen und medialen Wirklichkeit der modernen Gesellschaft zu erhalten. Die Medienmaschinerie der Nazis lebt durch dieses Video in der Gegenwart fort, jedoch ohne ihre politischen oder ideologischen Botschaften, sondern mittels einer Reduzierung auf die technischen und ästhetischen Aspekte. Die veränderte Bedeutung des Liedes zeigt sich auch im Zusammenspiel von Bild und verändertem Chorus. Nicht mehr das innere Wesen soll gezeigt werden, sondern vielmehr die rein körperliche Schönheit, Stärke und Leistungsfähigkeit. Denn das Video zeigt nur schöne, starke und athletische Menschen. Insofern kann man nicht mehr von einem Liebeslied sprechen.

Über den Autor

David Spisla wurde 1980 in Freiburg geboren. Er absolvierte ein geisteswissenschaftliches Studium an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, das ihn 2007 zum Erwerb des 1. Staatsexamens für Realschulen führte. Im weiteren Verlauf seines Studiums setzte er seinen Schwerpunkt auf die Analyse moderner Medien und Medienerzeugnisse vom Standpunkt der Literatur- und Sprachwissenschaft.

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