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- Die Gestaltung der Gawan-Figur im siebten Buch von Wolframs 'Parzival'
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 40
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Der Roman 'Parzival' von Wolfram von Eschenbach ist eines der grundlegenden Fundamente deutschsprachiger mittelalterlicher Literatur. Dementsprechend war und ist dieses Werk immer im Fokus von Forschung und Wissenschaft. Schwerpunkt hier ist nicht die Hauptfigur, Parzival, sondern die zweite, Gawan. Gawan als Figur hat selbst eine eigene literarische Geschichte und Hintergrund, tritt in verschiedenen Romanen auf – mit immer anderer Gestalt. Die Konzeption hier im 'Parzival', so wie Wolfram sie ausgestaltet ist einzigartig: Nicht nur, dass Gawan als idealtypischer Ritter klassifiziert wird, er dient auch noch als direktes Gegenbeispiel zum Namensgeber des Romans. Im siebten Buch ist er Hauptheld und wird vor allem in seiner Rolle als Konfliktlöser und erfolgreicher Kämpfer dargestellt, der oftmals seine Kämpfe nicht mit dem Schwert, sondern dem Verstand gewinnt. Gerade hier soll eine Forschungslücke geschlossen werden, die die Vielschichtigkeit dieser Figur ausblendet, bzw. nicht entsprechend würdigt. Gawan als Streitschlichter, Friedensstifter und weiser Kämpfer: das ist das Bild, welches Wolfram im siebten Buch entwirft, welches nun wissenschaftlich fundiert beleuchtet wird.
Textprobe: Kapitel 2.1, Gauvain und Gawan – zwei Einführungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Die Blutstropfenszene ist die erste Stelle im Roman, in der Gawan aktiv auftritt. Nachdem ein garzûn Cunnewares den in den Anblick der drei Blutstropfen versunkenen Parzival gefunden hat, reiten sowohl Segramors als auch Keie zu diesem, um ihn zur Rede zu stellen und an den Artushof zu führen. Obwohl von beiden angesprochen, reagiert Parzival nicht, sodass er angegriffen wird. Segramors sowie auch Keie unterliegen und kehren verletzt an den Hof zurück. Vergleicht man die Motivationen der zwei Ritter, die Parzival im Wald besuchten, so werden eindeutige Unterschiede auffällig. Segramors will die Tjost gegen Parzival, um seinen persönlichen Ruhm zu steigern (‘ungerne het er dô vergehen / sîns kumenden prîses pflihte/ ieman an der geschihte’ 286, 20-22), Keies primäres Ziel ist nicht der persönliche Ruhm, sondern der des Artushofes, wie in 290, 8-21 ersichtlich wird. Der Erzähler stellt auch klar, dass Keie deswegen nicht beschuldigt werden darf, denn er kämpft nicht für seinen eigenen Ruhm, sondern für den des Hofes. Als Gawan Keie aufgrund seiner Verletzungen (295, 23-25) bemitleidet, beschuldigt Keie ihn, nicht ordentlich an die eigene und die Ehre des Artushofes zu denken und kampfunwillig zu sein. Gawan wird bezichtigt, lieber bei den Frauen zu bleiben als in den ritterlichen Kampf zu ziehen und, wenn er denn zieht, nie mit ganzer Kraft zu kämpfen. ‘Er unterstellt, Gawan neige mehr zur diemuot gegenüber Frauen als dazu, Tapferkeit zu zeigen.’ Gawans Antwort darauf könnte nicht kürzer ausfallen: Er weist Keie darauf hin, dass er sich zu jeder Zeit seinen Pflichten vollends bewusst ist, und diese auch wahrnimmt (299, 15-26). Allein die Tatsache, dass Gawan Keies Anschuldigungen nicht mehr entgegnet, zeigt schon seine Überlegenheit und sein Selbstvertrauen. Gawan ist sich seiner Position und seines Status am Artushof wohl bewusst und sieht keinen Grund, sich wegen solcher Beschuldigungen aufzuregen. Dies ist ein Zug, den die Figurengestaltung Gawans ausmacht: er ist sich stets seiner selbst bewusst. Daraufhin macht sich Gawan – wie oben beschrieben – auf zu Parzival. Schon jetzt wird deutlich, dass er anders an ihm unbekannte Situationen herangeht als die anderen Artusritter. Er reitet ‘sunder swert und âne sporn’ (299, 30), ‘sunder kalopieren / und âne punieren’ (300, 7f) zu Parzival – also eindeutig ohne die Möglichkeit eines Kampfes in Betracht zu ziehen. Dies verwundert angesichts der beiden besiegten Ritter. Doch Gawan will die Situation ohne Kampf klären und – ein entscheidender Punkt – ohne weitere Verletzungen. Sieverding sagt dazu: ‘Im Gegensatz zu Segramors und Keie […] durchbricht Gawan von Anfang an [die] oft tödlich endenden Mechanismen [ritterlicher Verhaltensethik]. […] Gawan zeigt hiermit seine innere Souveränität gegenüber ritterlichen Verhaltensnormen.’ Diese Souveränität zeichnet Gawan aus und wird vom Autor als grundlegendes Gestaltungsprinzip der Figur Gawan eingeschrieben. Vergleicht man dies mit Chretiens >Perceval<, so sind dort einige Unterschiede festzumachen. Zum einen ist die Anschuldigungsrede Keus viel länger als bei Wolfram und zum anderen wird Gauvain weniger sein Verweilen bei Frauen zum Vorwurf gemacht, sondern seine Art zu kämpfen. Keu beschuldigt ihn, immer erst dann einzugreifen, wenn er sicher weiß, dass er gewinnt, da der Gegner schon ausgelaugt ist (4370-4404). Hier liegt der Schwerpunkt der Anschuldigung demnach leicht anders als bei Wolfram. Nicht Gawans Beziehung zu Frauen wird getadelt, sondern sein Verhalten im Kampf. Auch stellt Keu klar heraus, dass Gauvain lieber redet als kämpft, was in Keus Augen sehr unritterlich ist. Dieser Hang zum Reden äußert sich auch darin, dass Gauvain, bevor er zu Perceval reitet, darüber nachdenkt bzw. mit Artus darüber spricht, was mit dem Ritter sein könnte. Gawan hingegen handelt auf eigene Initiative hin. Er beratschlagt sich mit niemandem, sondern nimmt die Situation selbst in die Hand. Somit zeigt er, dass er selbst autonom ohne Rücksprache plant und handelt. Wie sich zeigt, funktionieren diese Pläne zumeist auch – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Gawan sich nur allzu gut in andere hineinversetzen kann, wie ebenfalls durch die Blutstropfenszene deutlich wird. Gauvain erkennt schon durch die Erzählungen Segramors und Keus, dass mit dem unbekannten Ritter im Wald etwas nicht stimmt. Anhand der Beschreibung schlussfolgert er, eine Art Trance oder Versunkenheit aufgrund eines Verlustes läge bei Parzival vor. Dieser Gedankengang ist insoweit interessant, als dass er zeigt, dass Gauvain den Ritter gar nicht erst sehen muss, um Aussagen über sein Verhalten zu treffen – Diagnosen zu stellen, die nahezu den Kern des Problems treffen. Gawan kann dies erst erkennen, als er Parzival gegenüber steht. Für Gawan hat also Erkenntnis viel mit sinnlicher Wahrnehmung zu tun. Situationen kann er erst überblicken, wenn er mittendrin steht, den Raum überschaut und Kontakt zu den Beteiligten hat. Konsequenz dieser Tatsache ist, dass Gawan nicht übereilt handelt, da er Entschlüsse erst trifft, wenn er sich den ganz wörtlich gemeinten Überblick verschafft hat. Als er Parzival gegenüber steht, erkennt er, in welchem Zustand Parzival sich befindet – er kannte ihn auch schon: ‘Gâwân was solher nœte al wîs’(301, 8). Der Einblick in Gawans Gedanken bestätigt ihn nur noch: > waz op diu minne disen man / twinget als si mich dô twang,/ und sîn getriulîch gedanc/ der minne muoz ir siges jehen?<(301, 22-25). Gawan kennt Parzivals Zustand aus eigener Erfahrung. Als er dann noch Parzivals Blick zu den Blutstropfen folgt, versteht er. Er erlöst Parzival aus der Minneversunkenheit, indem er seinen Mantel über die Blutstropfen legt. Hier werden zum ersten Mal Gawans Gedanken gezeigt. Gawan denkt darüber nach, ob Parzival wohl der gleichen Macht unterlegen ist, wie er selbst einst (301, 22-25). Wie schon vormals erwähnt, zeigt dies, dass Gawan in der Lage ist, Situationen genau zu analysieren, Zusammenhänge zu erkennen, um dann gewaltfreie Lösungen zu finden. Diese Fähigkeit, sich in andere Figuren hineinversetzen zu können, zeichnet Gawan aus und ist grundlegender Faktor der Figurengestaltung. Gawans primäre Aufgabe ist – wie bei Parzival– die Erlösungsaufgabe. Anders jedoch als bei Parzival, erreicht Gawan die Erfüllung dieser Aufgabe nicht durch Kämpfe und Zufall, sondern vielmehr durch Einfühlsamkeit, Verstand und Gespräche.
Alexa Hof, B.A., wurde 1987 in Waldbröl geboren. Ihr Studium der Germanistik und Biologie an der Ruhr Universität Bochum schloss die Autorin im Jahre 2010 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen in der mediävistischen Germanistik. Fasziniert von der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Sprachstufen des Deutschen und vor allem mit der Entstehungsgeschichte deutschsprachiger Literatur begann sie, sich intensiv mit dem Fundament des Romans um den Artushof, eben dem 'Parzival' Wolframs von Eschenbach, auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang entstand die vorliegende Arbeit.
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