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- Die Gestalt des Medardus im Werk "Die Elixiere des Teufels": Abbild eines Wahnsinnigen im Zeichen der Schwarzen Romantik
Geisteswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 48
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Hoffmanns 1815 erschienener Roman ‘Die Elixiere des Teufels’ ist nicht nur das deutsche Pendant zum Schauerroman ‘The Monk’ von Matthew Gregory Lewis, sondern auch ein typischer Vertreter der Schwarzen Romantik, vor allem der ‘dunklen Seite’ der Schwarzen Romantik - des Wahnsinns, des Kranken, des Bösen, des Dämonischen und Teuflischen. Hoffmann schafft es in diesem Werk wie kein anderer Vertreter dieser literarischen Strömung durch seinen Schreibstil sowie die ‘kranke’ Denk- und Handlungsweise des Protagonisten dem Leser die Abgründe der menschlichen Seele und den Wahnsinn naturgetreu vor Augen zu führen und das ohne dem Leser die Hoffnung zu nehmen, dass der geistlich verwirrte und ‘ins Verderbnis stürzende’ Protagonist am Ende dennoch Heilung oder Erlösung finden wird. Eben diese Hoffnung, dass man vom Wahnsinn geheilt werden kann, die allgegenwärtig ist - wie im wahren so auch im fiktionalen Leben - wusste Hoffmann sehr gut für das Schreiben seines Werkes auszunutzen. Die Elemente des Fantastischen, die der Autor erfolgreich in die realistischen Situationsschilderungen des Wahnsinns einbettet, machen den Roman zu einem äußerst lesenswerten Erlebnis.
Textprobe: Kapitel 2.2.2, Der Genuss des Teufelselixiers: Medardus hört zum ersten Mal vom Teufelselixier von Cyrillus, der ihm die Legende vom heiligen Antonius erzählt, während sie die Reliquienkammer besichtigen. Der Legende nach hat der heilige Antonius die Getränke, die ihm sein Widersacher anbot und ihm im Rasen zurückgelassen hat, damit er sie findet, in einer Höhle versteckt, um nicht in Versuchung zu kommen. Eine solche Flasche steht auch in der Reliquienkammer des Klosters und gerade Medardus bekommt die Aufgabe, diese Flasche, die ‘Verderben und heillosen Untergang jedem bereiten könnte’ zu überwachen. Am Anfang von Cyrillus’ Warnung abgeschreckt, das Kistchen mit dem Teufelselixier niemals zu öffnen, versteckt Medardus die Schlüssel, die aber nach der Besichtigung der Reliquienkammer mit einem Grafen und seinem Hofmeister wie von Geisterhand im Schlüsselbund auftauchen. Trotz Cyrillus Warnung überschätzt sich Medardus selbst, glaubt, dass nur der Genuss des Elixiers seinen Geist, der nach seinem Wahnsinnsanfall in der Kirche erschöpft ist, stärken kann und beschließt deshalb den Wein zu trinken, der ihn mit seinem angenehmen Duft betört hat. ‘Medardus schildert sich im Verlauf der Aufzeichnungen gleichsam als Verführten: [...] Im Detail betrachtet, vollführt der Mönch das Sakrileg mehr aus quälender Neugier als aus schuldvoller Absicht.’ Dank des Elixiers erwacht in Medardus seine Heiterkeit und Lebendigkeit wieder, aber auch sein Größenwahn und die sexuelle Lust. Medardus sieht aber nur die Vorteile, die ihm der Genuss des Elixiers verschafft, und nicht die Nachteile, die all die anderen, u. a. die Äbtissin und auch Leonardus, sehen. Leonardus missfällt Medardus’ Verhalten, weil es das ‘ruhige Beisammensein’ der Mönche zerreißt und deshalb beschließt er ihn nach Rom zu schicken, damit er dort Heilung findet. Nicht die Vernunft leitet ihn auf seinem Weg, sondern der Wahn, der ihn von einem Verbrechen zum nächsten führt, sein Inneres spaltet und ihm ermöglicht, seine sexuelle Lust auszuleben. Er denkt über seine Handlungen wie auch deren Konsequenzen nie lange nach, sondern lässt sich vom Schicksal leiten. Die Schwäche von Medardus’ Vernunft, die seinem Wahnsinn unterliegt, und den Sieg der Narrheit über die Vernunft verdeutlicht Belcampo in seiner Predigt im Krankenhaus: [...] ich selbst bin die Narrheit, die ist überall hinter dir her, um deiner Vernunft beizustehen, und du magst es nun einsehen oder nicht, in der Narrheit findest du nur dein Heil, denn deine Vernunft ist ein höchst miserables Ding, und kann sich nicht aufrecht erhalten […] und muß mit der Narrheit in Kompagnie treten, die hilft ihr auf. [...] Die Narrheit erscheint auf Erden, wie die wahre Geisterkönigin. Die Vernunft ist nur ein träger Statthalter, der sich nie darum kümmert, was außer den Grenzen des Reichs vorgeht, der nur aus Langerweile auf dem Paradeplatz die Soldaten exerzieren läßt, die können nachher keinen ordentlichen Schuß tun, wenn der Feind eindringt von außen. Erst nachdem Medardus’ Doppelgänger Aurelie erstochen hat, kommt Medardus zur Vernunft und sieht ein, dass seine Verbrechen ‘wie eine physische Krankheit von jenem Gift erzeugt’ großes Unheil angerichtet haben. 3, Hoffmanns Darstellung des Wahnsinns: Hoffmann, der immer danach strebte, bestehende Konventionen zu brechen und seine Zeitgenossen für seine Werke zu begeistern, indem er sie schockierte, bietet seinen Lesern in seinen Werken, u. a. ‘Der Sandmann’ und ‘Die Elixiere des Teufels’, eine mysteriöse Handlung mit schaurigen Gestalten wie der Gestalt des Sandmanns oder des Doppelgängers. Dabei sind seine Werke nur Spiel seiner eigenen Fantasie er verwendet Symbole, die sich auf seine eigenen Probleme, Visionen, Träume und Ängste beziehen und für ihn sind sie wie auch für Novalis ‘die Sprache der Natur’, den für ihn wie auch für Novalis umfasst die Natur einfach alles: den Himmel und die Hölle, den Traum und den Wahnsinn. Hoffmann lässt nicht nur seine Figuren, sondern auch den Wahnsinn ‘selbst”, der bei den Figuren zeitweilig ausbricht, sprechen, indem er ihn als eine fremde Stimme im menschlichen Innern zu Wort kommen lässt. Der Wahnsinn mischt sich mit den anderen dunklen Mächten in Hoffmanns Werken in den bürgerlichen Alltag ein, der meist satirisch dargestellt wird. Gerade sein Werk ‘Die Elixiere des Teufels’ repräsentiert die schauerliche Atmosphäre mit Bildern des Dämonischen, des Wahnsinns und der Bedrohung des Doppelgängers, des Widersachers, woran man Hoffmann wiedererkennt. Eine genaue Darstellung des Wahnsinns verdankt Hoffmann u. a. seinen Studien über die verschiedensten Formen des Wahnsinns, dem Kontakt mit einigen Patienten von Dr. Marcus und Dr. Speyer in Bamberg und den Werken von Phillipe Pinel, Cox (Praktische Bemerkungen über Geisteszerrüttungen), Schubert, Kluge und Johann Christian Reil (Rhapsodien über die Anwendung der psychischen Kurmethode auf Geisteszerrüttungen). Somit schuf Hoffmann in seinem Werk, in dem, nach Heine, das Furchtbarste und Entsetzlichste, das der Geist sich erdenken könne, liegt, krankhafte Züge aufweisende Gestalten der Wirklichkeit. 4, Stilistische Merkmale des Romans ‘Die Elixiere des Teufels’: Beim Lesen des Romans fallen sofort die Mischform und die Gliederung des Romans sowie der chronologische Ablauf der Handlung, der durch Rückblenden unterbrochen wird, die häufige Verwendung von Metaphern und Allegorien und Hoffmanns Komik, gemischt mit Ironie, dem Leser ins Auge, auf die im Folgenden näher eingegangen wird. 4.1, Gattungsbezeichnung: Der Roman verdankt seinen vielen Motiven, die von Mord, Inzest, Verführung, Sünde, Verbrechen bis hin zur Liebe und Klosterleben reichen, seine Mischform. Folgend kann der Roman als eine Mischung aus Fabel, Trivialroman (Schauer-, Kloster-, Abenteuer-, Geheimbundroman) und Autobiografie gesehen werden. Die Bezeichnung ‘Fabel’ ist durch die vielen fantastischen und abenteuerlichen Geschehnisse begründet, es dominiert aber durch die Motive wie Inzest, Mord und vor allem das Dämonische, das die ‘individuelle Schuld nicht [zulässt] oder höchstens diejenige krimineller Passivität’, der triviale Charakter des Romans. Auch wegen der Fülle an Geschehnissen, der Darstellung von Medardus’ Handeln als Verführung des Teufels und den geheimnisvollen Familienbeziehungen kann der Roman zur Trivialliteratur gezählt werden. Dank des Einflusses des Schauerromans ‘Der Mönch’ von Matthew Gregory Lewis, der sich in einer Reihe von Schauermotiven widerspiegelt, kann der Roman ‘Die Elixiere des Teufels’ dem Schauerroman zugeordnet werden. Die beiden Schauerromane unterscheiden sich aber grundlegend im Inhalt. Während Lewis seinen Ambrosio in ‘Der Mönch’ in ewiger Verdammnis enden lässt, geht Medardus den Weg der Buße und rettet somit sich selbst. Neben vielen schauerlichen Motiven, wie dem Dämonischen im Menschen, womit sich auch viele andere romantische Autoren in ihren Werken beschäftigt haben, der Angst vor dem Doppelgänger, der Verführung des Teufels zum Bösen und zur Sünde, der Mordlust, den Wahnsinnsanfällen, den Familienbeziehungen und der Erbsünde wird im Roman ‘Die Elixiere des Teufels’ der Einfluss von Lewis’ Schauerroman sogar auf eine fiktive Gestalt (Aurelie) beschrieben. Obwohl der Roman dank der Darstellung des Klosterlebens, das aus Bruderschaft, Messen, Kirchenreden, Beichten, Reliquien, Andachtsübungen und in Medardus’ Fall auch aus Marter und Buße besteht, zum Klosterroman gezählt werden kann, fehlen die Glaubenskonflikte, denn Medardus beschäftigt sich nicht mit seinem Glauben und Gott, sondern nur mit sich selbst, seiner Moral. Neben den bisherigen Bezeichnungen als Fabel, Schauer- und Klosterroman kann der Roman auch als Geheimbundroman oder Abenteuerroman bezeichnet werden. Als Geheimbundroman kann der Roman wegen des geheimen Ordens, der Cyrillus in einer geheimen Kammer, abgeschnitten von der Außenwelt, hinrichtet, bezeichnet werden, als Abenteuerroman hingegen wegen Medardus’ abenteuerlicher Reise. Die Zuordnung des Romans zur Autobiografie ist nicht auf den Autor, sondern auf den Icherzähler (Medardus) bezogen, obwohl einige Autoren glauben, dass der Roman auch autobiografische Züge enthält. Neben all diesen Bezeichnungen fand Friedrich Hebbel die passendste Lösung für die Gattungszuordnung: ‘Die Elixiere des Teufels sind und bleiben ein höchst bedeutungsvolles Buch, so voll warmen, glühenden Lebens, so wunderbar angelegt und mit solcher Konsequenz durchgeführt, daß, wenn es noch keine Gattung gibt, der Darstellungen dieser Art angehören, das Buch eine eigene Gattung bilden wird.’
Marta Hajsok wurde 1986 in Varaždin in Kroatien geboren. Ihr Magisterstudium der Germanistik für Diplomübersetzer an der Philosophischen Fakultät in Osijek in Kroatien schloss die Autorin im Jahre 2010 erfolgreich ab. Mit dem Abschluss erlangte sie de akademischen Grad Magister der Germanistik und die Berufsbezeichnung Diplomübersetzer für Deutsch. Während des Bachelor- und Magisterstudiums verfestigte sich bei der Autorin die Leidenschaft für das Lesen, die Interpretation und das Übersetzen deutschsprachiger Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Prosawerke der Romantiker E. T. A. Hoffmann und Ludwig Tieck erweckten bei ihr das größte Interesse, weshalb sie auch eines von Hoffmanns bekanntesten Werken zum Gegenstand ihrer Arbeit machte.