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- Das Hausmädchen in der Literatur: Lucia Puenzos „El Niño Pez“ und Sergio Bizzios „Rabia“. Eine literarische Analyse
Geisteswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 32
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die hier vorliegende Arbeit widmet sich einer detaillierten Analyse der Motivik der Hausmädchen-Figur in (vornehmlich) lateinamerikanischer Literatur, wobei ein besonderes Augenmerk auf den beiden Werken Rabia von Sergio Bizzio und El Niño Pez von Lucía Puenzo liegt. Es werden hier die Darstellungsweise der jeweiligen Protagonistinnen, der Dienstmädchen Guayi (El Niño Pez) und Rosa (Rabia), sowie die Relationen der beiden zu ihren jeweiligen Dienstherren analysiert und mit den realen Bedingungen und Lebensumstände vieler Hausmädchen der heutigen Zeit verglichen, wobei besonders auf die politische Lage der Selben eingegangen wird. Zudem werden auch Vergleiche mit weiteren bekannten Hausmädchen-Figuren der Literatur gezogen und der viel umstrittene Aspekt der erotischen Romanheldin diskutiert.
Textprobe: Kapitel II. Die momentane Dienstmädchensituation und die Hausmädchenmotivik in der Literatur: Zwar ist es in der heutigen Zeit längst nicht mehr Gang und Gebe (oder sollte es zumindest nicht sein), dass zu einem gutbürgerlichen Haushalt wie selbstverständlich auch ein Hausmädchen gehört, jedoch finden sie sich in den letzten Jahren wieder immer häufiger im Zeitalter der Globalisierung kehrt das altbekannte Dienstmädchen peu à peu zurück: Egal ob als Dienstmädchen, Kinderfrau oder Haushaltshilfe – wenn man meint, im modernen Zeitalter seien sie lediglich noch ein Ammenmärchen, so täuscht man sich gewaltig, denn sie übernehmen heute in zunehmendem Maße [wieder] die Versorgungsarbeit in privaten Haushalten und das in unfassbaren Ausmaßen. Alleine in Deutschland gehen Schätzungen darauf zurück, dass jeder achte private Haushalt heute eine Haushaltshilfe beschäftigt , weltweit steigen die Zahlen nahezu ins Unermessliche. Interessant ist dabei die Tatsache, dass die Beschäftigten zu mehr als 90% Frauen sind , oftmals Migrantinnen aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Osteuropa , die in ihrem Heimatland keine Arbeit finden. Die meisten von ihnen haben eine eigene Familie zu Hause, um die sie sich kümmern müssen und sogar eine gute Ausbildung genossen, doch verbessert dies ihre Chancen auf dem heimatlichen Arbeitsmarkt nicht es sind also gestandene Frauen, die […] in die Zentren der reichen Welt auswandern , da es in ihrem Herkunftsland [meistens] keine oder [nur] schlechte Entwicklungsmöglichkeiten gibt und sie keinen anderen Ausweg sehen, um sich mit ihrer Arbeit das (Über-)Leben ihrer Familie[...] und die Ausbildung der eigenen Kinder zu sichern. Viele der Frauen aus Lateinamerika, Afrika oder Südostasien verdingen sich sogar im eigenen Land, obwohl die Arbeitsbedingungen für sie dort oftmals noch schlechter als in den westlichen Industrieländern sind alleine in Lateinamerika arbeiten über zwanzig Millionen Frauen als Hausangestellte , oft, da sie keinen Ausbildungsplatz bekommen […] oder einen Beruf erlernt [haben], mit dem sie nicht genug zum Leben verdienen für ihre gehobenen Arbeitgeber sind die so genannten muchachas dabei einfach die herrlichste Nebensache der Welt . Ebenfalls erschreckend ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass viele der Frauen ohne arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Schutz – sprich illegal – im neuen Land leben und arbeiten und es so für sie kaum Möglichkeiten [gibt], gegen Lohnprellungen oder sexuelle Ausbeutung vorzugehen . Die Probleme nicht-bezahlter Überstunden, eines niedrigen Einkommens, welches oftmals sogar noch unter der Minimumslohngrenze liegt, so wie auch psychische und/oder physische Gewalt bis hin zur Vergewaltigung sind i.d.R. fast allen Betroffenen gemein sie sind einfach der Willkür ihrer Arbeitgeber ausgeliefert . V.a. in Mittel- und Südamerika ist die inhumane Behandlung der Hausangestellten scheinbar an der Tagesordnung, so ist das Mädchenzimmer [oftmals] die Rumpelkammer des Hauses, kleiner und schlechter belüftet als eine Pferdebox . Besonders auffällig: Bspw. in Brasilien gibt es genaue Vorschriften über das Mindestmaß von Zimmern, aber die Bauherren zeichnen absichtlich einen Raum als Vorratskammer ein, der später als Mädchenzimmer vorgesehen ist . Einzig in Bezug auf das Fernsehen sind die Señores fast immer großzügig , denn die Traumwelt des Films hat heute einen fast so guten Einfluss auf ihr Personal wie früher die Kirche: Sie stabilisiert die Verhältnisse , da sie mit dem Versprechen auf die Utopie eines besseren Lebens wie eine Droge wirkt solche in den Telenovelas postulierten Happy Ends hat die […] Wirklichkeit [jedoch] nicht zu bieten : Wie bereits konstatiert ist das Hausmädchen der Familie zwar oftmals das Objekt der Begierde für Hausherr (und auch Sohn), da es – ebenso wie die Möbel – einfach als selbstverständlicher Besitz angesehen wird –, jedoch ist sie auch stets gezwungen die eventuellen Folgen allein zu tragen, wird sie bspw. schwanger, so wird sie zur Belastung und fortgejagt , bestenfalls zahlt ihr der Hausherr die Abtreibung . Und dennoch bietet die Arbeit im Privatbereich vielen den Vorteil des Schutz[es] vor Entdeckung , auch wenn die Kehrseite dieser 'Schutzzone' mit der minimalisierten Möglichkeit der selbstbestimmten Bewegungsfreiheit und der Ausbeutung im neuen zu Hause einhergehen. Das Dienstmädchengeschäft ist ein Phänomen der Schattenwirtschaft , in dem sich die Betroffenen […] in einer twilight-zone, einer geheimen, unsichtbaren Gesellschaft, an deren Sichtbarmachung oder Veröffentlichung kaum jemand Interesse hat , bewegen. Zudem ist auf Grund jener Schutzzone auch der direkte Kontakt zu den Mädchen für Außenstehende nahezu unmöglich , da sie von ihren Arbeitgebern [zusätzlich] abgeschirmt werden und Angst vor dem Zorn der Selbigen haben, sollten sie sich ihnen widersetzen oder ihren Wünschen nicht zur Genüge nachkommen. V.a. in den westlichen Industrieländern ist die Nachfrage nach domestic helpers im Haushaltsleben des [modernen] Techno-Zeitalters enorm, denn so wie Hausangestellte einst zum Prestige einer Bürgerfamilie gehörten, so sind sie heute eine (nahezu selbstverständliche) Entlastung für die moderne berufstätige Frau – globale Feminisierung der [Zwangs-]Migration als Preis des doch so erfolgreichen modernen und fortschrittlichen Feminismus, der Emanzipation und der Frauenbewegung mit der – fast schon sklavenartigen – Verrichtung von Arbeiten, die schon seit Jahrhunderten als Frauenarbeit gelten , hat sich die Dienstmädchenfrage […] von einer Klassenfrage zu einem ethnisch und national [, so wie v.a. auch feministischen,] Phänomen entwickelt . Friese beschreibt dieses Phänomen im Grunde rückläufiger Emanzipation als erneuten Entwertungsprozess[...] weiblicher Bildung und erläutert, dass sich der brain-drain , d.h. der 'Bildungsleerlauf' der Herkunftsländer, […] in den Aufnahmeländern in brain-waist, [d.h.] 'Bildungsverschwendung' verwandelt und so zur sozialen Falle wird. Nebeneffekt ist dabei ebenfalls die Entstehung eines Arbeitsmarkt[es], der scheinbar einen Ausweg bietet […], begrenzte finanzielle Ressourcen zu übersteigen , so wie die Begleiterscheinung einer so genannten transnationalen Mutterschaft , die darauf basiert, dass viele der 'neuen Dienstmädchen' gezwungen sind, ihre eigenen Kinder ebenfalls in der Obhut von 'Ersatzmüttern' zu hinterlassen, während sie sich ihrerseits um die Erziehung fremder Kinder kümmern müssen es ist im Grunde eine weltweite Fürsorgekette . Alles in Allem ist das Hausmädchen an sich folglich lediglich Handelware: Man kauft sie, und dann haben sie zu funktionieren. Bleiben sie stehen, haut man mit der Faust dagegen. Und wenn das nicht hilft, kauft man neue. Wie die Maschinen haben sie [für ihre Besitzer ] keine Geschichte, keine Gefühle, keine Gesundheit sie sind die mucamas – schattenhafte Wesen, die schnell ins Esszimmer huschen, servieren und wieder verschwinden . Sie arbeiten nahezu rund um die Uhr, sind gezwungen, Schikanen zu ertragen, nur weil sie aus der Not heraus auf ein eigenes Leben [verzichten], um denen, die mehr Geld haben, das Leben [noch weiter] zu erleichtern . Besonders in Lateinamerika unterliegen sie nicht dem allgemeinen Arbeitsrecht , spezielle Gesetze zur Haushaltsarbeit degradieren sie zu Arbeitnehmerinnen zweiter Klasse und sie rangieren [somit] am untersten Ende der Lohnskala , sie leben eine Form der modernen Sklaverei . Es zeigt sich, dass dieses als Schattenwelt postulierte Phänomen (s.o.) auf den Grundpfeilern seit jeher existierender genderspezifischer Arbeitsteilung fußt und auf dem Rücken der natürliche[n] Ressource Frau ausgetragen wird. Kurzum: Das Dienstmädchen der Moderne ist das vielleicht wertvollste Exportprodukt als Teil einer globalen Trenderscheinung. Welche neue Mode wird es morgen sein? [...].
Die Autorin Stefanie Weber, B.A., wurde 1990 in Recklinghausen geboren und lebt zur Zeit in Bochum. Nach dem Abitur 2010 begann sie ein Studium der Germanistik und romanischen Philologie Spanisch an der Ruhr-Universität Bochum, wo sie 2014 ihren Bachelorabschluss machte. Im Anschluss trat sie ein weiterführendes Lehramtsstudium der gleichen Fächer an. Bereits seit einigen Jahren arbeitet die Autorin neben dem Studium als Sprachlehrerin für Spanisch und Englisch. Besonders die spanische und lateinamerikanische Literatur hat sie während des Studiums kennen und lieben gelernt. Fasziniert von der Thematik verschiedener Literaturen Spaniens und Lateinamerikas verfasste sie – neben einigen anderen spanischen Werken – dieses Buch.