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- Blutsauger zwischen Emanzipation und Konservativismus: Umcodierung von Genrekonventionen in den Vampirromanen von Stephenie Meyer und Wolfgang Hohlbein
Geisteswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 64
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Stephenie Meyers 'Bis(s)…'-Reihe befand sich in den vergangenen Jahren mit Millionen verkaufter Exemplare stets an der Spitze der internationalen Buch-Bestsellerlisten. In dem populärsten Werk der amerikanischen Autorin, das mittlerweile in fünf Spielfilmen auch für das Kino aufbereitet wurde, vermischt sie die literarischen Genres Liebes- und Vampirroman und begeistert mit dieser Mixtur vor allem jugendliche Leser und Zuschauer - und auch immer mehr Erwachsene. Besonders durch die filmische Umsetzung und den Starkult um die Schauspieler Kristen Stewart, Robert Pattinson und Taylor Lautner sind Meyers Vampire des 21. Jahrhunderts mehr Popstar, Idol und Symbol, als es Graf Dracula jemals war. Die Vampire sind in der Neuzeit angekommen. Doch was steckt hinter dem Genremix was ist es, das den Vampir als eine der ältesten Gestalten der Phantastik immer wieder aufs Neue als interessante und faszinierende Figur definiert? Kristof Beuthner ist der Sache auf den Grund gegangen. Er blickt zurück auf die ständige Veränderung des Vampirs von einer Gestalt aus Sagen und Mythen bis hin zum populärkulturellen Symbol. Im stetigen Vergleich der 'Bis(s)…'-Reihe mit einem deutschstämmigen Pendant, Wolfgang Hohlbeins 'Wir sind die Nacht', untersucht er, inwiefern zeitgenössische AutorInnen durch ein geschicktes Umcodieren der Genrekonventionen den Nachtschwärmer wieder für eine so große Leserzahl spannend und attraktiv machen. Er deckt die besonderen Genderkonstruktionen in den 'Bis(s)…'-Bänden auf, und sucht auch im philosophischen, vor allem aber im religiösen Subtext nach Erklärungen. Oder ist es gar die Jugend selbst, die durch das Schaffen immer neuer, eigener Subkulturen (wie etwa der sogenannten Emo-Kultur) die Vorlage für die 'neuen Vampire' in der Geschichte von Bella und Edward liefert?
Kapitel 4, Vergleich der beiden Romane: 4.1, Lena und Bella: zwei Außenseiterinnen als Hauptfiguren: Blickt man in die Historie der Vampirliteratur, so wird auffallen, dass die Vampire immer auch einen gewissen Reiz auf Menschen ausgeübt haben, die am Rande der Gesellschaft stehen manchmal mehr noch: die in ihrem Leben nichts mehr zu verlieren haben. Wenn auch in den folgenden Ausführungen herausgearbeitet werden wird, dass sowohl Wolfgang Hohlbein als auch Stephenie Meyer mit vielen Genrekoventionen brechen - in diesem Punkt folgen beide Autoren der Tradition. Isabella Swan, die Protagonistin aus der ‘Bis(s)’-Reihe etwa, steht allein von daher als Außenseiterin da, da sie ihr durchaus luxuriöses, wenngleich auch reichlich selbstständiges Leben in Phoenix, Arizona, abbricht, um bei ihrem Vater Charlie in der Kleinstadt Forks zu leben. Isabella, im Roman wie im Folgenden nur noch Bella genannt, verlässt also nicht nur ihre alte Umgebung und ihre geliebte Stadt, sondern begibt sich in eine Stadt, der sie mit großer Abneigung gegenübersteht. Nicht nur das schlechte Wetter dort drückt ihr aufs Gemüt der kleine Ort Forks ist auch der Schauplatz der Trennung ihrer Eltern, die sie schmerzhaft erinnert. Bella nimmt ihre Situation selbst von Anfang an als die einer Außenseiterin wahr (‘Alle hier waren zusammen aufgewachsen, schon ihre Großeltern kannten sich aus dem Sandkasten. Ich würde die Neue aus der großen Stadt sein, eine wandelnde Kuriosität, ein Freak’). Sie begründet das aber nicht nur damit, dass sie als Fremde in ein in sich stimmiges Universum eindringt, sondern auch mit einer generellen Unfähigkeit im Umgang mit Menschen (‘Ich kam nicht gut klar mit Leuten meines Alters. Und vielleicht kam ich in Wahrheit mit Leuten generell nicht klar’). Auch ist sie merkbar unzufrieden mit ihrem Äußeren gibt zwar zu erkennen, dass sie sich grundsätzlich für durchaus hübsch hält, dennoch aber den in ihrer Vorstellung gängigen Schönheitsidealen nicht entspricht (‘Nicht nur äußerlich würde ich nirgendwo reinpassen’). Sie fühlt sich unwirklich, aus der Art geschlagen und weltfern (‘Manchmal fragte ich mich, ob ich mit meinen Augen dieselben Dinge sah wie der Rest der Welt. Möglicherweise funktionierte ja mein Gehirn nicht richtig.’) Bellas Selbstbild, so stellt es sich im Verlauf der Reihe heraus, trügt sie jedoch. So gehen speziell die männlichen Mitschüler wiederholt und offensichtlich aus ehrlichem Interesse auf sie zu und sind um ihre Eingliederung in die Klassengemeinschaft bekümmert. Auch findet sie durchaus Anschluss zu zwei Mädchen in der Klasse, wenngleich sie mit deren Formen der Freizeitgestaltung (Abschlussball Kino Treffen mit Jungen etc.) nicht viel anzufangen weiß und derlei Unternehmungen eher widerwillig und vor allem, um sich nicht selbst auszugrenzen, begleitet. Vielmehr sind es Edward Cullen und seine Geschwister, die sich später als Vampire entpuppen, die ihr Interesse entfachen. Zwar fallen sie ihr ebenfalls in ihren Rollen als Außenseiter auf (sie sitzen in der Cafeteria ausschließlich zusammen niemand kennt sie wirklich sie sind in keiner Weise in die Schulgemeinschaft integriert) dennoch ist Bella fasziniert von ihrer Schönheit: ‘Ich starrte sie an, weil ihre so verschiedenen und doch gleichen Gesichter umwerfend und überirdisch schön waren. Es waren Gesichter, die man normalerweise nur auf den Hochglanzseiten von Modemagazinen zu sehen erwartete. Oder auf den Gemälden alter Meister, als Engelsgesichter. Schwer zu sagen, wer am schönsten war [...]’. Bellas erste Begegnung mit Edward in der Biologiestunde, in der er sich ihr gegenüber äußerst abweisend verhält und schließlich sogar anstrebt, einen anderen Biologiekurs zu besuchen, bezieht sie ebenfalls schnell auf einen Makel an ihrer Person. Es soll sich jedoch herausstellen, dass sie wiederum auf Edward eine große Faszination ausübt, da seine besondere Gabe, die Gedanken anderer Menschen lesen zu können, bei ihr nicht zum Tragen kommt. Da er jedoch eine freundschaftliche wie amouröse Beziehung zu einem Menschen nicht einzugehen pflegt, ist er selbst über seine Gefühle erschreckt und zieht sich zunächst zurück. Bellas Sympathie für Außenseiter, die darauf zurückzuführen sein könnte, dass sie in ihrem Denken und Fühlen durch ihr Wissen bzw. ihr Gefühl für ihre eigene Rolle in der Gesellschaft bestimmt ist, äußert sich auch im späteren Verlauf der Reihe nicht nur durch die Freundschaft und Liebe zu den Cullens, sondern auch in der tiefen Freundschaft zu Jacob Black, der durch seine Herkunft - er lebt als ‘Eingeborener’ in einem Indianerreservat - ebenfalls nicht fest in die Gemeinschaft der Kleinstadt integriert ist. Der Außenseiterstatus Lenas in ‘Wir sind die Nacht’ ist hingegen weniger auf eine menschliche Komponente zurückzuführen, sondern begründet sich vielmehr durch ihre soziale Herkunft. Bereits der Beginn des Romans kennzeichnet sie als erfahrene Diebin weiterhin scheint sie bereits eine immense kriminelle Vergangenheit aufzuweisen (‘Die Behörden - und allen voran die Polizei - waren so etwas wie ihr natürlicher Feind, solange sie denken konnte’). Der Polizist Tom, der sie nach dem Zugriff auf den russischen Zuhälter jagt, bezeichnet sie als ‘kleiner Straßenköter, mehr nicht’. Weiterhin wird Lena von einem Bewährungshelfer überwacht, der sie augenscheinlich sexuell begehrt und ihr demzufolge - wenn überhaupt - nicht uneigennützig bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft hilfreich ist. Lena wird außerdem von ihm erpresst und muss seine Hilfe mit erbeutetem Geld bezahlen. Ihre Beobachtung eines Kindes löst in ihr zugleich ein Gefühl von Zärtlichkeit und Schmerz aus, da sie ihr eigenes Schicksal nicht mit einem eigenen Kind teilen wollen würde (‘Sie liebte Kinder, auch wenn sie sich fest vorgenommen hatte, niemals selbst Kinder in eine Welt zu setzen, in der es schon den meisten Erwachsenen schwerfiel, über die Runden zu kommen.’). Lena stammt aus einer Familie aus der sozialen Unterschicht. Besonders deutlich wird dies, als sie von ihrem in den ersten zwei Kapiteln thematisierten Beutezug nach Hause kommt. Es wird beschrieben, dass Lena mit ihrer Mutter in einer ‘hundert Jahre alten Bruchbude’ lebt, die augenscheinlich in einem ärmlichen Berliner Stadtteil liegt (der Name dieses Stadtteils wird jedoch zu keinem Zeitpunkt genannt genausowenig wie irgendein anderer Platz in Berlin tatsächlich als solcher aufgeführt wird). Lena bezeichnet das Viertel als eine ‘Gegend [...], in der Hartz-IV-Familien eindeutig zu den Besserverdienenden’ gehören. Ferner wird deutlich, dass besagte Behausung trotz des heruntergekommenen Zustandes (Graffiti an den Wänden übler Geruch mangelhafte Bauweise etc.) nicht den Tiefpunkt ihres bisherigen Lebensstandards markiert (‘Ihre Mutter und sie hatten schon in schlimmeren Schuppen gehaust’). Auch ist zu entnehmen, dass Polizei und Gerichtsvollzieher regelmäßig in dem Haus ein und aus gehen, was ebenfalls auf eine Verortung von Lenas Familie in der sozialen Unterschicht schließen lässt. Ihre Mutter ist arbeitslos und offensichtlich alkoholkrank ferner ergeht sie sich in dubiosen Selbstständigkeitsjobs, wenn auch erfolglos. Die Lebensart der Mutter führt dazu, dass Lena sie zwar liebt, sich aber im Grunde als selbstständig fühlt und von ihr keinen Schutz erwarten kann. Lena verfügt - im Gegensatz zu Bella - jedoch über ein durchaus ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Es ist möglich, dies durch das Durchsetzungsvermögen zu erklären, das sie benötigt, um in ihrer harten Welt zurecht zu kommen. Sie weiß zudem nicht nur um ihre weiblichen Reize, sondern auch um ihr scheinbar grundsätzlich gutes Aussehen (‘Sie war einundzwanzig, hundertmal hübscher, als ihre Mutter es jemals gewesen war, und sogar sie selbst wusste, dass sie in dem dünnen roten Nichts von Kleid einen atemberaubenden Anblick bieten musste.’). Zudem fühlt sie sich grundsätzlich zu Höherem berufen fühlt sich in dieser Welt aus Armut, Schmutz und Ausgegrenztheit nicht zuhause und am rechten Fleck (‘Mit alledem hätte sie leben können... aber nicht mit dem Gefühl, einfach nicht hierher zu gehören. Nicht in dieses Haus, und nicht einmal in diese Welt. Sie war für etwas anderes bestimmt, etwas Besseres.’). Dieses ‘Bessere’ ist es, was sie an den ersten Begegnungen mit den Vampiren Louise, Nora und Charlotte fasziniert, wenngleich der erste Berührungspunkt von Lena mit den drei Frauen - wie auch bei Bella - über ihre Schönheit, ihre Anmut, ihre Ausstrahlung zustande kommt. Als sie sich in einem Nobelclub auf einem Beutezug befindet, entdeckt sie zunächst Nora, die auf einer Box zur Musik tanzt. Lena ist nicht nur von ihrer Ausstrahlung und ihrem Tanzstil fasziniert, sondern fühlt sich sogar auf seltsame Art erotisch angezogen (‘Sie hatte sich nie für Frauen interessiert - nicht so -, aber da war etwas im schmalen Gesicht des dunkelhaarigen Mädchens [...] was sie sofort in den Bann schlug.’). Wenig später trifft sie auch auf Louise und bezeichnet sie sogar als ‘blonde Göttin’.
Kristof Beuthner, M.Ed., wurde 1983 in Wittmund (Ostfriesland) geboren. Sein Lehramtsstudium (Fächer: Germanistik und Sachunterricht) an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg schloss der Autor im Jahre 2011 mit dem akademischen Grad des Master Of Education erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen als freier Journalist für das Online-Kulturmagazin 'Nillson.de'. Seit jeher fasziniert von Phantastik in Film und Literatur, befasste sich der Autor parallel zu seiner Ausbildung ausgiebig mit der Geschichte des Unheimlichen und dessen Bezug zur Populärkultur der jeweiligen Entstehungszeit der Werke.
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