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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 132
Abb.: 13
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Mikrokredite sind besonders aus der Entwicklungspolitik bekannt. Sie genießen spätestens seit der Verleihung des Friedensnobelpreises an Muhammad Yunus und die Grameen Bank im Jahr 2006 den Ruf, dass sie in der Lage seien, wirtschaftlich orientiertes Denken und altruistisches Engagement im Kampf gegen Armut für alle involvierten Parteien als eine Win-win Situation zu deren Vorteil zu verbinden. Im September 2009 wurde unter dem ehemaligen Bundesarbeitsminister Olaf Scholz und nachfolgend unter Ursula von der Leyen auch in Deutschland ein Mikrokreditfonds als Schutzschirm für Kleinunternehmen politisch initiiert. Dieser soll vor allem eine Existenzgründung für Frauen, Arbeitslose und Immigranten erleichtern und helfen, gesellschaftliche Diskriminierungen gegenüber diesen Gruppen abzubauen. Christoph Kaminski betrachtet die Mikrokreditbewegung und den Mikrokreditfonds Deutschland umfassend und unvoreingenommen aus verschiedenen Perspektiven und erläutert, inwieweit die Hoffnungen von positiven Wirkungen eines speziellen Mikrokreditprogramms in Deutschland gerechtfertigt sind. Dazu setzt er die Historie von Mikrokrediten ins rechte Licht und erklärt die relevanten wirtschaftswissenschaftlichen Theorien. Auch die speziellen Rahmenbedingungen, das Vergabesystem und die aktuellen empirischen Erkenntnisse zu Unternehmensgründungen durch Frauen, Arbeitslose und Immigranten gehen in seine Untersuchung ein. Dadurch werden Schwachstellen, Risiken und negative Auswirkungen durch voreilige Symbolpolitik aufgedeckt und Anregungen gegeben, wie das Mikrokreditprogramm und damit die Förderung von Existenzgründungen in Deutschland nachhaltig verbessert werden kann.
Textprobe: Kapitel 4.2, Rechtlicher Rahmen der Mikrokreditvergabe: In Kapitel 3 wurden bereits wirtschaftswissenschaftliche Theorien zur Förderung effizienter Programme und zur Bekämpfung von partiellem Marktversagen erläutert. Demnach können gezielte Eingriffe die Effizienz eines Mikrokreditprogramms erhöhen. Werden durch diese Eingriffe jedoch intakte Marktmechanismen gehemmt, können sie auch einen gegenteiligen Effekt bewirken. Gesetze und Verordnungen haben aus diesem Grund einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Organisation des Mikrokreditangebotes und damit auf die Entwicklung der gesamten Bewegung. Im Folgenden werden daher die auf den Mikrokreditmarkt einflussreichsten rechtlichen Voraussetzungen der EU und Deutschlands dargelegt. Europäische Ebene: Im weiteren Sinne finden sich in der EU zwei verschiedene Institutionen, die Mikrokredite anbieten Banken und Nicht-Banken. Dementsprechend fallen Mikrokredite auch in den Gesetzesrahmen der jeweiligen Institution Die Gesetzgebung für den Bankensektor ist weitestgehend durch das Europäische Bankenrecht reguliert und harmonisiert, während sich die Gesetze für Nicht-Banken als Mikrofinanzierer von Land zu Land stark unterscheiden können. Ausschlaggebend, ob ein Mikrofinanzierer unter das Bankenrecht der EU fällt, ist dabei die Frage, ob dieser das Recht besitzt, Einlagen seiner Kunden anzunehmen. Mikrofinanzanbieter, die dies betrifft, müssen demzufolge sämtliche Anforderungen des europäischen Bankenrechts erfüllen, wie bspw. Transparenzstandards, Mindestkapitalanforderungen, und Berichtspflichten. Daher wird in vielen europäischen Ländern dieser Freiraum genutzt, um Programme zu entwickeln, in denen sich Nicht-Banken ausschließlich auf die Kreditvergabe konzentrieren, ohne dass dadurch die Notwendigkeit einer europäischen Banklizenz und den damit verbunden Pflichten besteht. Einige Mitgliedstaaten der EU, darunter auch Deutschland, haben jedoch zumindest teilweise schärfere Bankgesetze als die EU, so dass in diesen Staaten bereits das Kreditgeschäft nur durch lizensierte Banken vollzogen werden darf. Außerdem existieren wie in Deutschland auch in einigen anderen Staaten Gesetze und Vorschriften zu Zinsdeckeln, um Verbraucher und Kreditnehmer vor Überschuldung und räuberischer Kreditvergabe zu schützen. Eine Zinsobergrenze erschwert allerdings die Effizienz und Nachhaltigkeit von Mikrokreditprogrammen, da die höheren relativen Kosten der Kreditvergabe nicht über den Effektivzins auf die Antragsteller übertragen werden können. Die Lizensierungs- und Genehmigungsverfahren für Mikrokreditinstitute unterscheiden sich in Folge dessen von Staat zu Staat und die Bandbreite der verschiedenen Mikrofinanzinstitute reicht von Wohltätigkeitsorganisationen über Genossenschaftsbanken bis hin zu privaten Geschäftsbanken. Der daraus resultierende Mangel an Regulierung und Aufsicht durch Institutionen der EU bedeutet jedoch nicht zwangsweise eine Hemmnis für die Entwicklung der Mikrokreditprogramme. Wahrscheinlich ist aus Kostenvorteilen sogar eher das Gegenteil der Fall. So wurde z.B. das französische Mikrokreditprogramm erst durch die Abschaffung des verpflichtenden Zinsdeckels entscheidend beschleunigt und effizienter gestaltet. Nationale Ebene: Gewerbliche Mikrofinanzierer, die in Deutschland nicht als Bank lizensiert sind, dürfen zwar als Intermediär, jedoch nicht als Kreditgeber tätig werden. Denn im Sinne der Begriffsbestimmung aus § 1 des Kreditwesengesetzes (KWG) sind gewerbsmäßige Unternehmen, die Gelddarlehen gewähren, zu den Kreditinstituten zu zählen und benötigen zur legalen Ausführung ihrer Geschäfte nach § 32 Abs.1 KWG eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstaufsicht (BaFin). Um diese Erlaubnis und damit das Recht der Kreditvergabe zu erhalten, sind hohe Markteintrittsbarrieren zu bewältigen. Laut § 33c KWG beträgt das Anfangskapital für Finanzdienstleistungsinstitute, also Mikrofinanzierern, die auf eigene Rechnung Kredite vergeben, mindestens 730.000 €. Sollten Mikrofinanzierer ihr Geschäft zudem auf Einlagen ihrer Kunden ausweiten, ist sogar ein Anfangskapital von mindestens 5 Mio. € eine Pflichtvoraussetzung. Sämtliche weitere Pflichten, die ein Kreditinstitut in Deutschland zu erfüllen hat, wie bspw. Transparenz- und Berichtspflichten würden damit auch für eine solche Form von Mikrofinanzinstituten gelten. Durch diese Markteintrittsbarrieren wurde das Wachstum des deutschen Mikrokreditmarktes im Vergleich zu anderen Staaten in den vergangenen Jahren stark gebremst. Denn private Initiativen dürfen ohne die gesetzlich geforderten Ausstattungen oder ohne die Kooperation mit einem bereits bestehenden Kreditinstitut keine verzinsten Kredite vergeben. Modelle, wie das der Grameen Bank, deren Ursprünge in einer durch Studenten organisierten Kreditvergabe liegen, wären deshalb in Deutschland aufgrund der genannten Rechtslage von vornherein nicht möglich. Dennoch hätte sich allein unter diesen Umständen der Mikrokreditmarkt in Deutschland schneller entwickeln können, da bereits existierende Kreditinstitute die Vergabe hätten übernehmen und die verhältnismäßig höheren Transaktionskosten und Kreditrisiken durch einen entsprechend hohen Zinssatz effizient kompensieren können. Die Grenzen eines wirtschaftlich angemessenen Effektivzinses bei der Mikrokreditvergabe werden jedoch durch die praktische Auslegung des § 138 BGB zu sittenwidrigen Rechtsgeschäften und Wucher gesetzt. Zwar lässt dieser Paragraph viele Interpretationen zu einem angemessenen Höchstzins, wobei die Vielzahl der verschiedenen Kreditformen eine Beurteilung von Zinswucher zusätzlich erschwert, doch als allgemeine Orientierung zu dieser Bewertung wird in der Praxis der marktübliche Zins als Vergleichsmaßstab herangezogen. Ein wirtschaftlich effizienter Zins würde jedoch gerade zu Beginn eines Mikrokreditprogramms mit hoher Wahrscheinlichkeit das Vielfache des Marktzinses betragen, so dass der Verdacht eines sittenwidrigen Zinssatzes entstehen könnte. Während also in der Entwicklungspolitik Zinssätze von über 20% die Regel darstellen und erst dadurch eine wirtschaftliche Mikrokreditvergabe aus Sicht der Finanzierer erreichbar erscheint, würde die Einführung eines solchen Mikrokredits dem allgemeinen Ruf einer Bank in Deutschland wahrscheinlich nicht dienlich sein und könnte sogar rechtliche Konsequenzen zur Folge haben. Trotz der gesetzlichen Regulierung des Kredit- und Einlagengeschäfts sowie einer Höchstgrenze von Zinssätzen, gibt es in Deutschland keine gesetzlichen Pflichten zu den Varianten einer Kreditbesicherung. Weder das KWG oder das BGB, noch die Solvabilitätsverordnung regulieren, welche Kreditsicherheiten akzeptabel oder ab welchen Konditionen sie in das Geschäft zu integrieren sind. Daher besitzen auch Mikrofinanzinstitute in Deutschland alle Freiheiten, ob und welche Sicherheiten sie von ihren Kunden verlangen wollen. Um zudem die Finanzierung von Mikrokrediten zu vereinfachen, wurde am 08.11.2007 eine Änderung des Investmentgesetzes (InvG) durch den Bundestag verabschiedet. Dadurch haben nun auch Privatanleger mehr Möglichkeiten, relativ geringe Beträge in Mikrokreditfonds zu investieren. Bis dahin war dies nur institutionellen Anlegern oder sehr finanzstarken Privatpersonen mit einer Mindestanlage von 1 Mio. € möglich, da Publikumsfonds nur zu einem sehr geringen Teil unverbriefte Anleihen, wie Mikrokredite enthalten durften. Durch die Gesetzesänderung dürfen nun aber 75% eines Mikrokreditfonds unverbrieft sein. Die Wirkungen dieser Änderung beziehen sich derzeit allerdings lediglich auf Investitionen in ausländische Fonds, da der Mikrokreditfonds Deutschland ausschließlich durch öffentliche Gelder finanziert wird. Doch langfristig kann dadurch auch die Finanzierung deutscher Fonds erleichtert werden.
Neben seinem Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der TU Dortmund sammelte Christoph Kaminski u.a. Erfahrungen in der Privatkundenberatung einer deutschen Großbank sowie als Geschäftsführer, Vorsitzender und Vorstandsmitglied in verschiedenen gemeinnützigen und politisch aktiven Organisationen. Darüberhinaus arbeitete er während seines Studiums in einer Beratungsgesellschaft für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Die Erfahrungen aus diesen unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern ermöglichen es dem Autor, die Thematik der Mikrokreditvergabe objektiv und umfassend aus verschiedenen Perspektiven zu veranschaulichen. Auch nach seinem Universitätsabschluss als Diplom-Kaufmann führt Christoph Kaminski sein Engagement in der Sozial- und Entwicklungspolitik fort. Derzeit ist er in der kanadischen Finanzabteilung von Médecins Sans Frontières in Toronto tätig.
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