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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 76
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Untersuchung geht der Frage nach, ob Gerechtigkeit als eine Kategorie in bundesstaatlichen Finanzausgleichssystemen identifiziert werden kann. Hierbei werden die Begriffe Föderalismus und Finanzausgleichssystem theoretisch erörtert. Der Gerechtigkeitsbegriff wird in einem historischen Abriss aufbereitet und die Ansätze von Jürgen Habermas sowie Michael Walzer dienen als Basis zur Operationalisierung des Gerechtigkeitsbegriffs. Die Antworten auf die entwickelten Forschungsfragen bilden die Indikatoren, um die bundesstaatlichen Finanzausgleichssysteme der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz als gerecht einstufen zu können. Als spannend stellt sich die Überlappung der verschiedenen Dimensionen von Gerechtigkeit in dieser Untersuchung heraus. Bedingt wird diese Überlappung durch die Berücksichtigung von drei wesentliche Perspektiven – der politikwissenschaftlichen, der staats- und verfassungsrechtlichen Perspektive sowie dem ökonomischen Verständnis.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.1.3, Gerechtigkeit in der Moderne: John Rawls konnte mit Eine Theorie der Gerechtigkeit neue Impulse setzen. Die Menschen und die Gesellschaft werden ebenfalls idealisiert, um Gerechtigkeit in ihren Dimensionen darstellbar zu machen. Angenommen wird, dass jedes Gesellschaftsmitglied die gleichen Gerechtigkeitsgrundsätze anerkennt, davon ausgehen kann, dass dies auch die anderen tun und die grundlegenden gesellschaftlichen Institutionen nach genau diesen Grundsätzen angelegt sind. Der Schleier des Nichtwissens spielt in diesem Ansatz eine herausragende Rolle, ‘[…] risikoaverse Repräsentanten einer Gesellschaft beschließen Prinzipen der Gerechtigkeit ohne Kenntnis der Position, die sie selber nach Lüften des Schleiers des Nichtwissens einnehmen werden’. Eine Verbindung kann zum Teil mit Hobbes’ Überlegungen hergestellt werden, der den Menschen als Ordnungsstifter sieht. Gleichwohl kommt die Unabsehbarkeit der Konsequenzen der eigenen Taten zum Vorschein. Gerechtigkeit kann nach dieser Auffassung durch gerechtes Handeln entstehen. Zwei Grundsätze bilden einen weiteren Ausgangspunkt für Rawls’ Theorie. Einerseits soll ‘[…] ein größtmögliches System von gleichen Grundfreiheiten für alle […]’ entstehen und andererseits ist zum einen substantielle Chancengleichheit vorgesehen und zum anderen die Gleichverteilung von Einkommen und Vermögen. Eine Ungleichverteilung ist nur gestattet, sofern sie sich auf alle vorteilig auswirkt. Diese konstruierte zulässige Ungleichheit bezeichnet Rawls als Differenzierungsprinzip. Dem Gedanken liegt eine Form der Rechtfertigung zugrunde, Ungleichheiten müssen von den Bevorteilten begründbar sein. Damit wird die Rechtfertigung an Gerechtigkeit gekoppelt. Ein weiterer Vertreter der Moderne ist Alasdair MacIntyre, dessen These lautet, das Gerechte ist nur in Verbindung mit dem Guten zu haben. Das ‘Gute’ muss als gesellschaftliche Norm aufgefasst werden, da die Vorstellung des ‘guten Lebens’ unter den Mitgliedern einer Gesellschaft gleich sein muss. Weitergedacht kann das heißen, die Gesellschaft muss die Vorstellung vom ‘Guten’ als Prozess selbst finden und auch auf neue Situationen anpassen. Michael Walzer sieht die Gerechtigkeit wieder eher in einer sphärischen Dimension. Von den elf entwickelten Sphären Walzers sind die des Tausches, des Verdienstes und des Bedürfnisses die wichtigsten. Für nicht überlebenswichtige Güter ist der Tausch eine legitime Form der Distribution. In den Bereichen Anerkennung, Ämtervergabe oder Erziehung ist der Verdienst entscheidend, denn gleiche Leistungen sind gleich zu belohnen. Das Prinzip des Bedürfnisses erfordert ein gewisses Maß an logischer und sozialer Kompetenz, um die nötigen Entscheidungen zu treffen. Als Beispiel dient Heidenreich die Erste Hilfe am Unfallort. Selbstverständlich werden diejenigen als erste versorgt, deren Bedürfnis am größten ist. Walzers ‘komplexe Gleichheit’ ist als soziales Konstrukt zu fassen, in dem die Sphären und ihre Begrenzungen stabil verankert sind und eine Unterhöhlung der Sphären nicht möglich ist. Jeder Mensch sollte nach Walzer trotzdem die Chance haben, in einer anderen Sphäre erfolgreich zu sein. ‘Wer im Bildungssystem scheitert, muß dennoch durch harte Arbeit Anerkennung finden, auch wenn diese als ‚unterqualifiziert‘ gilt.’ Hier zeigt sich die Bedeutung der Chancengleichheit in modernen Gesellschaften. Die Herkunft ist für den Fortlauf der Ausbildung der Kinder von höchster Bedeutung. Die komplexe Gleichheit verlangt eine engagierte Zivilgesellschaft, die die Sphären durch Druck auf die Politik schützt. Niklas Luhmanns soziologische Theorie lehnt erstmals eine normative Bestimmung des Gerechtigkeitsbegriffs ab. Die Argumentation basiert auf prozeduraler Gerechtigkeit. Was geschieht, wenn Gerechtigkeit gesprochen wird? Hierbei muss die Systemtheorie einbezogen werden. Die Beobachtung erster Ordnung beschreibt die beobachtete Welt mittels Unterscheidungen. Die Beobachtung zweiter Ordnung vergleicht diese Beschreibungen und hinterfragt die entsprechende Funktion. Luhmann sieht die Gerechtigkeit ausschließlich im Rechtssystem einer ausdifferenzierten Gesellschaft verankert und gerade diese Ausdifferenzierung macht, so Luhmann, Gerechtigkeit als Strukturprinzip unmöglich. Es können nie alle Gruppen einer Gesellschaft gerecht im Sinne von gleich behandelt werden. Der Konsens ist hier das Maß der Dinge. Doch destruktiv argumentiert stellt der Konsens keinen der Verhandlungspartner einhundertprozentig zufrieden und wäre dann auch nicht gerecht. Verfolgt man diesen Ansatz weiter, kommt man zu einer Art gleicher Ungleichbehandlung in der Erlangung des Konsenses. Diese Erkenntnis enthält den Brückenschlag zu Mills Überlegungen, Ungleiches auch ungleich zu behandeln. Luhmann sieht Gerechtigkeit als relativierbaren Wert und setzt das Konstrukt um die Gerechtigkeit aus der juristischen Dimension in eine moralische. Im Rechtssystem wird Gerechtigkeit zur Kontingenzformel. Demnach ist eine Kontingenzformel ein notwendiger Trick, die im entsprechenden System eine spezielle Funktion erfüllt. Luhmann erörtert dies am Beispiel des Rechts-systems, welches einerseits rational, kohärent und unwillkürlich sein soll und andererseits die Alternativen in der Entscheidungsfindung anzeigen muss. Dieses Wechselverhältnis bezeichnet Luhmann als Hiatus, als einen Übersprung. Der Hiatus zwischen Ergebnisoffenheit und Anspruch auf Berechenbarkeit soll mit Gerechtigkeit überbrückt werden und eben diese Gerechtigkeit fungiert als Kontingenzformel in beide Richtungen. Die offene Argumentation gegen den Konnex von demokratischer Gerechtigkeit und dem Menschenbild führte Richard Rorty. Die Rechtfertigung von Theorien habe vor der demokratischen Öffentlichkeit stattzufinden. Wahrheit und Gerechtigkeit sollen laut Rorty in ästhetischer Dimension verstanden werden. Quintessenz von Rorty ist, dass die Gesellschaft unsere Normen und Werte sowie die Grenzen für das Entgegenkommen beziehungsweise Gerechtigkeit selbst definiert. Dieser Ansatz ist tiefgreifend, da der Mensch in ein Werte- und Normensystem geboren wird. Dieses System zu verstehen und anzuwenden wird von den Bindungspersonen erlernt und ist somit ein Prozess. Gerechtigkeit als einen Anspruch zu denken, dem der Mensch nie gerecht werden kann, entspringt den Überlegungen Emmanuel Lévinas. Gleichwohl ist ein Entzug des Einzelnen aus diesem Anspruchsdenken nicht möglich. Lévinas zeigt, dass Gerechtigkeit seither als ein Prinzip oder Norm verstanden wurde, dem unsere Institutionen, Verfahren und Handlungen zu genügen haben. Bedingung für Gerechtigkeit oder gerechtes Handeln ist die Wahrheit, denn ‘[…] noch bevor wir überhaupt über wahr oder falsch sprechen können, sind wir bereits dem Imperativ des ethischen Gebots ausgesetzt’. Jürgen Habermas stellt die Frage nach der Gerechtigkeit einer Gesellschaft bei der Betrachtung der Art der Struktur der Öffentlichkeit. Die gerechte Gesellschaft lebt von der Partizipation der Bürger. Kommunikation ist ein Schlüsselbegriff in Habermas’ Überlegungen und fußt in der Erkenntnis, dass Gerechtigkeit an eine demokratische, rechtsstaatliche, lernfähige Gesellschaft gekoppelt ist. Deliberation ist das Mittel, um die Feinjustierung von gerechten Strukturen und Normen zu übernehmen. Gerechtigkeit bedeutet für Habermas Teilhabe aller Bürger am Gemeinwesen und der Staat hat diese mit wohlfahrtsstaatlichen Mitteln zu sichern. Für Axel Honneth hingegen basiert die Gerechtigkeit auf Anerkennung. Hegel unterschied Anerkennung bereits in der Familie durch Liebe, in der Gesellschaft als rechtliche Anerkennung und als Ehre beziehungsweise politisches Ansehen auf Staatsebene. Honneth zieht diese Formen weiter und überträgt die Liebe als Maß der Anerkennung zum Beispiel auch in Freundschaften. Gleichzeitig ist Anerkennung ein subjektives Maß und jeder glaubt, ein Anrecht darauf zu haben. Laut Honneth bemisst sich Gerechtigkeit einer Gesellschaft an dem Grad der Fähigkeit, Bedingungen der gegenseitigen Anerkennung einzuräumen, unter denen die individuelle Selbstverwirklichung von statten gehen kann. Für die Verwendung des Gerechtigkeitsbegriffs setzt Rainer Forst vier Maßstäbe an. ‘Der Mensch interpretiert sich selbst […] als a) ethische Person, b) als Rechtsperson, c) als vollberechtigte(r) Staatsbürger(in) und d) als moralische Person.’ Alle vier Personen haben unterschiedliche Wege der Rechtfertigung. Diesem Ansatz folgend muss Gerechtigkeit ‘[…] auf intersubjektive Verhältnisse und Strukturen zielen, nicht auf subjektive oder vermeintlich objektive Zustände der Güterversorgung’. Forst verweist deutlich darauf, dass Gerechtigkeit nur in ein und derselben Ebene gelebt werden kann. Abschließend sollen die Ausführungen zum Thema Gerechtigkeit von Armatya Sen dargelegt werden. Die vormaligen Theorien kritisiert Sen als ‘trans-zendentalen Institutionalismus’, denn man suche nicht nach Mitteln und Wegen eine Gesellschaft gerechter zu gestalten, sondern konstruiert die gerechte Gesellschaft. Sen invertiert die Überlegungen zur Etablierung von Gerechtigkeit in einer Gesellschaft durch das Diagnostizieren von Ungerechtigkeit. Ungerechtigkeiten könnten nach Sen plural begründet werden, während Gerechtigkeit identische Begründungen bräuchte. Parallel schließt Sen die Verantwortung als eine Dimension auf der Suche nach Gerechtigkeit ein. Verschiedene Gerechtigkeitstheorien mit ihren Hauptvertretern der jeweiligen Epochen wurden vorgestellt. Die Vielschichtigkeit des Gerechtigkeitsbegriffs, seine Definitionen und Interpretationen werden deutlich. Die folgende Tabelle stellt das Vorangegangene komprimiert dar.

Über den Autor

Alexander Reden, M.A. wurde 1977 in Dresden geboren. Nach einer Ausbildung im Handwerk, machte er das Abitur 2007 auf dem zweiten Bildungsweg. Im Jahr 2011 schloss er das Studium Politik und Verwaltung mit dem Zweitfach Geschichte an der Universität Potsdam als B.A. ab. Der Abschluss als M.A. folgte 2013 an derselben Hochschule. Bereits während des Studiums sammelte der Autor Erfahrungen in der Verwaltung durch Praktika in einem Jobcenter. Diese Erfahrungen motivierten den Autor unter anderem, die Gerechtigkeit als eine mögliche Kategorie von Finanzausgleichssystemen zu untersuchen.

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