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- Ethik und Gewinn ein Widerspruch? Einige ausgewählte Ethikskandale der Wirtschaft
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2021
AuflagenNr.: 1
Seiten: 476
Abb.: 40
Sprache: Deutsch
Einband: gebunden
Der vorliegende Sammelband analysiert anhand von Case Studies die Beziehung zwischen Gewinnmaximierung und Ethik. Steht ethisches Unternehmensverhalten mit dem Unternehmensziel der Gewinnmaximierung im Widerspruch? Der erste Beitrag behandelt die Skandale der Pharmabranche. Anhand der Beispiele des US-Opiate-Skandals, Tamiflu, Tierversuche und dem Panschen von Medikamenten (Apotheker von Bottrop u.a.) wird untersucht, ob die Gesundheit der Menschen und Tiere im Zweifelsfall über der Gewinnerzielungsabsicht steht und wo Verbesserungspotenzial besteht. Der nächste Beitrag analysiert den in letzter Zeit besonders skandalträchtigen Finanzsektor. Die Geschäftspolitik von HSBC, der Deutsche Bank, und Goldman Sachs sowie der Cum-Ex-Skandal werden ethisch bewertet. Die internationalen legalen und illegalen Steuervermeidungsstrategien werden in dem folgenden dritten Beitrag ethisch anhand von den Case Studies LuxLeak und Panama Paper untersucht und ethisch bewertet. Die Skandale der Finanz- und Wirtschaftsprüfung sind Thema des vierten Beitrags. Ein Schwerpunkt ist der aktuelle Wirecard Skandal. Hier wird auch der Frage nachgegangen, ob durch Compliance ein ein ethischeren Unternehmensverhalten erreicht werden kann. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der internationalen Wirtschaftskriminalität. Inwiefern schädigen Industriespionage, Cyberkriminalität, der Diebstahl geistigen Eigentums und Korruption und was kann man dagegen tun. Der letzte Beitrag widmet sich den globalen Interessenkonflikten zwischen Gewinn und Ethik. Wie ist das Verhältnis der Industriestaaten zur Dritten Welt? Was kann man gegen die globale Umweltverschmutzung tun? Wie ist der Export von Müll in die Dritte Welt zu bewerten? Und wie wirken sich die Gewinnerzielungsabsichten von Unternehmen und die strategischen Interessen von Staaten bei den internationalen Waffenexporten bspw. im Jemen-Konflikt aus? Der Sammelband schließt mit einem Fazit des Herausgebers.
Textprobe: Internationale Reaktionen und Auswirkungen: Die Panama Papers haben seit dem Recherchebeginn der Süddeutschen Zeitung und der ICIJ und vor allem seit der Veröffentlichung im April 2016 zu unzähligen Reaktionen und Auswirkungen geführt. Unter den weltweiten Reaktionen waren neben Razzien und zahlreichen Rücktritten auch Massendemonstrationen in verschiedenen Ländern. Manche dieser Reaktionen erfolgten sofort nach der Publikation und wurden unmittelbar öffentlich, wohingegen andere erst sehr viel später öffentlich bekannt wurden. Zum Beispiel kündigten Israel, Australien, Schweden, Mexiko, Norwegen und Costa Rica noch am Tag der Veröffentlichung die Einleitung von umfassenden Untersuchungen an. Auch vier Wochen nach der Veröffentlichung reagierten noch regelmäßig Regierungen wie beispielsweise die Regierung der USA, Großbritanniens oder Russlands auf den Skandal. Insgesamt wurden in rund 80 Ländern Ermittlungen gegen Mossack Fonseca eingeleitet und viele Sonderkommissionen und Untersuchungsausschüsse wurden zur Aufklärung der geheimen Machenschaften eingesetzt. Wie konsequent die eingeleiteten Ermittlungen durchgeführt wurden, war allerdings sehr unterschiedlich. Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung wurden im ersten Jahr nach der Veröffentlichung der Panama Papers weltweit mindestens 150 offizielle Verfahren gegen ehemalige Mandanten von Mossack Fonseca eingeleitet. Die Panama Papers hatten jedoch nicht nur strafrechtliche Verfahren und Konsequenzen zur Folge. Auch die Anzahl der neu gegründeten Firmen in Panama ist in Folge des Skandals deutlich zurückgegangen. Wurden im Jahr 2016 noch knapp 20.000 Firmen in Panama gegründet, so waren es im darauffolgenden Jahr 2017 nur noch unter 4500 Neugründungen. Ein möglicher Grund für diesen Rückgang könnte das im Oktober 2016 unterzeichnete OECD-Abkommen über gegenseitige Amtshilfe in Steuerfragen sein. Die Regierung Panamas unterzeichnete das Abkommen in Folge des immer stärker werdenden öffentlichen Drucks. Nach einem Bericht des Spiegels im Oktober 2020 wurden viereinhalb Jahre nach der Veröffentlichung der Panama Papers weltweit mehrere Tausend Ermittlungsverfahren eingeleitet und umgerechnet mehr als zwei Milliarden Euro an Strafen und Nachzahlungen eingetrieben. In Deutschland wurden laut der Süddeutschen Zeitung bis dato knapp 2000 Verfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet und mehrfach Bußgelder in Millionenhöhe gezahlt. Mehrere Jahre nach der Veröffentlichung der Daten lässt sich noch kein großer und umfassender Einfluss auf die Gesetzeslage in den internationalen Steueroasen feststellen. Welche Folgen der Skandal auf die Firma selbst und ihre Gründer hatte, wird im folgenden Abschnitt erläutert. Die Folgen für Mossack, Fonseca und die Kanzlei: Die Reaktionen und Auswirkungen der Panama Papers haben das Unternehmen und die Gründer sehr hart getroffen. Ab dem ersten Tag nach der Veröffentlichung der Panama Papers bestritt das Unternehmen öffentlich jede Verwicklung in illegale Geschäfte. Dieser Linie blieb Mossack Fonseca auch in den darauffolgenden Monaten treu und erklärte regelmäßig, die Kanzlei hätte immer legal gearbeitet und sei in den vergangenen 40 Jahren noch nie einer Straftat bezichtigt oder angeklagt worden. Der öffentliche Druck auf die Kanzlei und ihre Gründer war vom Tag der Veröffentlichung bis lange danach enorm und auch die Justiz wurde von der Öffentlichkeit beobachtet und musste regelmäßig Stellung nehmen. Im Februar 2017 durchsuchten panamaische Ermittler die Kanzlei zum insgesamt dritten Mal und vernahmen und verhafteten die zwei Gründer und weitere hochrangige Mitarbeiter vorläufig. Die Verhaftungen wurden in Panama als Sensation verzeichnet, da die beiden Geschäftsführer Mossack und Fonseca einflussreiche Bürger des südamerikanischen Landes waren und jahrelang hohe politische Ämter innehatten. Beide mussten im Anschluss an die Verhaftungen ihre Ämter niederlegen. Außerdem entließ das Unternehmen im ersten Jahr nach der Veröffentlichung bereits über 450 der 600 Mitarbeiter und auch die Firmenschilder beim Hauptsitz wurden eigenständig entfernt. In einem zweiten nur etwa 500 Gigabyte großen Daten-Leak im Jahr 2018 wurden erneut viele firmeninterne Dokumente an die Öffentlichkeit getragen. Die Daten enthielten nur sehr wenige strafrechtlich verwertbare Informationen, jedoch hatten sie einen ganz anderen Wert. Sie zeigten viele firmeninterne Reaktionen, Kundenmails und die verzweifelten Versuche der Mitarbeiter dem unglaublichen Druck, der permanent auf die Kanzlei wirkte, standzuhalten. Viele Kunden beschwerten sich über das Datenleck und dass ihre Namen nun veröffentlicht wurden. Andere griffen die Kanzlei verbal an und kritisierten, dass sie trotz der Panne eine Jahresrechnung für die mangelhaft erbrachten Leistungen erhielten. Mossack Fonseca versuchte monatelang mit allen Mitteln den Untergang des Unternehmens zu verhindern und der Existenzkrise zu trotzen. Ein letzter Versuch war dabei die eine Bereitschaft zur Kooperation mit den Behörden, welche firmenintern als Projekt Panama bezeichnet wurde. Im Rahmen dieses Projektes sollten alle Eigentümer der gegründeten Briefkastenfirmen identifiziert werden, denn dazu war die Kanzlei auch Monate nach der Veröffentlichung der Panama Papers nicht in der Lage. Für diese Bemühungen war es zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits zu spät. Die rebellierenden Kunden, der Druck der Öffentlichkeit und die Mühlen der Justiz konnten nach der Veröffentlichung der Panama Papers im April 2016 nicht mehr gestoppt werden. Im März des Jahres 2018 konnte die Kanzlei dem permanenten öffentlichen Druck und der Justiz nicht mehr standhalten und stellte alle Geschäftstätigkeiten ein. Einem Bericht der Zeit zufolge begründete Mossack Fonseca diesen Schritt mit irreparablen Schäden, die durch die Medienkampagne und das irreguläre Vorgehen panamaischer Behörden entstanden sind. Einem Bericht der ICIJ zufolge kündigte das Unternehmen in diesem Zusammenhang sogar eine Zusammenarbeit mit den panamaischen Behörden an, da es keine illegalen Aktivitäten zu verstecken hätte. Die Gründer Jürgen Mossack und Ramon Fonseca wurden nach der Skandalveröffentlichung mehrfach festgenommen und verhört, kamen jedoch immer wieder auf Kaution frei oder es konnte ihnen kein strafrechtliches Vergehen nachgewiesen werden. Erst im Oktober des Jahres 2020 gab es neue Meldungen zu den beiden Firmengründern. Über fünf Jahre nach dem Skandal wurden internationale Haftbefehle gegen Mossack und Fonseca in Deutschland erhoben. Das Urteil lautete Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die Haftbefehle konnten von Seiten der Kölner Staatsanwaltschaft indirekt bestätigt werden. Die Reaktion aus Panama war jedoch bislang sehr ernüchternd. Da es sich bei den beiden Verurteilten um panamaische Staatsbürger handelt, hat Panama angekündigt, dass es den angeforderten Auslieferungen nicht nachkommen kann. Anwendung der ethischen Bewertungskriterien: Im Folgenden werden die relevanten Parteien im Zusammenhang mit den Panama Papers ethisch bewertet. Bei der Bewertung der Motive werden, die zu Beginn erläuterten, ethischen Bewertungskriterien verwendet. Mossack und Fonseca: Zunächst werden die Absichten der Firmengründer im Rahmen der Gesinnungsethik betrachtet. Die Firmengründer kritisierten die Veröffentlichung der gestohlenen Daten scharf und versuchten die Veröffentlichung der Rohdaten auf der Internetseite der ICIJ bis zuletzt zu verhindern. Fraglich ist jedoch, ob es sich dabei auch um die tatsächlichen Motive der Firmengründer handelte, oder ob ihnen dabei um ihren eigenen Schutz ging. Auch in anderen Situationen sind die Absichten nicht eindeutig einzuschätzen. Auf dem Weg zu seiner Vernehmung beschuldigte Fonseca den Präsidenten Varela live im Fernsehen, selbst in eine zuvor aufgedeckte Korruptionsaffäre in Brasilien verwickelt zu sein. Hierbei handelt es sich um einen absichtlichen Bruch des Verschwiegenheitsabkommens zwischen der Kanzlei und ihren Mandanten. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass den Firmengründern keine gute Gesinnung zuzuschreiben ist. Da es sich bei Absichten jedoch um subjektive Ansichten handelt, ist diese Bewertung äußerst schwierig. Auch die Bewertung nach dem kategorischen Imperativ führt zu einem unethischen Verhalten der Kanzlei, da es keine Maxime für eine intakte Gesellschaft darstellen würde. Mit Hilfe des praktischen Imperativs kann die subjektive Betrachtung des guten Willens mit einer objektiven Betrachtung abgewogen werden. Da die Mandanten der Kanzlei hauptsächlich als Mittel zum Zweck betrachtet wurden, ist grundsätzlich ein unethisches Verhalten festzustellen. Über die zuvor beschriebene Vernunftabwägung hinaus müssen auch verschiedene Pflichten gegenüber anderen gewahrt werden. Dazu zählen zum Beispiel Tugenden, wie die Würde des anderen stets zu achten. Hier kann erneut das Verhalten Fonsecas bei seiner Verhaftung betrachtet werden. Dieses Beispiel verdeutlicht sehr gut, dass die Firmengründer nach der Pflichtenethik unethisch handelten. Nach der Folgenethik von Max Weber müssen Handelnde die Verantwortung für die Folgen ihres Handelns übernehmen und nur, wenn positive Folgen zu erwarten sind, kann man von einem ethischen und moralischen Verhalten sprechen. Wie in den vorherigen Kapiteln deutlich zum Vorschein kam, waren die beiden Firmengründer Mossack und Fonseca stets an positiven Folgen für sie selbst und ihr Unternehmen interessiert. Oftmals handelten sie auch im Sinne ihrer Mandanten, doch dieses Ziel stand zweifelsfrei nicht immer an erster Stelle. Somit ist auch nach der Folgenethik insgesamt kein etisches Verhalten festzustellen. Auch die Anwendung der Publizitätsregel führt zu einem grundsätzlich unmoralischen und unethischen Verhalten von Mossack und Fonseca. Die Verschleierung und Geheimhaltung gehörten zu den wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg und den Fortbestand der Kanzlei. Die grundsätzlichen Geschäftspraktiken haben die Gründer zwar nie vor der Öffentlichkeit verheimlicht, doch es gab dennoch unzählige unmoralische und illegale Deals, die nach der Veröffentlichung zu einem großen Skandal führten. Betrachtet man das Verhalten der Firmengründer aus Sicht der Moralökonomik, dann lassen sich auch ethische Verhaltensweisen feststellen. Da das Kerngeschäft der Kanzlei in der Gründung und Führung von Briefkastenfirmen bestand und diese Geschäfte in Panama nicht staatlich reguliert sind, bestand für Mossack Fonseca kein großes Risiko bestraft zu werden. Anstelle von staatlichen Regulierungen oder Konsequenzen schützte die panamaische Regierung die Firmengründer und das Unternehmen sogar regelmäßig. Dieses Verhalten wurde bereits vor dem Datenleak deutlich und auch mehrere Jahre nach dem Skandal hielt die panamaische Regierung ihre schützende Hand weiter über Mossack und Fonseca. Dies zeigte sich zuletzt an den abgewiesenen Haftbefehlen. Da der Skandal nur durch einen Whistleblower aufgedeckt werden konnte, ist das Verhalten moralökonomisch als ethisch zu betrachten.
Nach Auslandsaufenthalten in den USA und Brüssel beendete Christian A. Conrad seine Doktorarbeit über die europäische Stahlpolitik als Assistent am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik der Universität Tübingen. Danach arbeitete er im internationalen Unternehmenskundengeschäft einer der fünftgrößten deutschen Banken, wodurch er ständig Kontakt zur Geschäftsführung zahlreicher Unternehmen hatte. Unter Einbeziehung dieser Feldforschung schrieb er zahlreiche Bücher und Aufsätze zu den Themen Wirtschaftsethik, Märkte, Wettbewerb und insbesondere Finanzmärkte. Als einer der wenigen warnte er auch Ende der 90er Jahre vor ihrem Zusammenbruch vor der Börsenbubble und im Jahr 2000 vor einer gigantischen Finanzmarktkrise, die nur noch unter massiven Belastungen der Steuerzahler aufgefangen werden kann. Derzeit ist er Professor für Volkswirtschaftslehre und Leiter des Master-Seminars Angewandte Wirtschaftsethik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (htw saar) in Saarbücken.
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