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- Objektbeziehungstheorie und Kunsttherapie bei Anorexia mit Body-Image-Störung
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 164
Abb.: 11
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die vorliegende Studie befasst sich mit der Frage, welche kunsttherapeutischen Maßnahmen zur Intervention der psychosomatischen Erkrankung Anorexia nervosa in Betracht gezogen werden können. Mit dem Begriff Anorexia nervosa (im Folgenden AN abgekürzt) bezeichnet man eine Form der Essstörung neben Bulimia nervosa und Adipositas, die sehr weit verbreitet ist. Sie ist u. a. gekennzeichnet durch ein starkes Untergewicht, das durch eine Gewichtsabnahme oder das Ausbleiben der erwartbaren Gewichtszunahme in der Pubertät entstanden ist. Trotz des offensichtlichen Untergewichts der betroffenen Mädchen und Frauen besteht eine starke Angst davor, zu dick zu werden. Da der gesamte Körper oder einzelne Körperteile als zu dick erlebt werden, wird aus Angst vor einer Gewichtszunahme die Nahrungsaufnahme trotz des bestehenden Untergewichts weiter eingeschränkt. Zentrale Aspekte im Zusammenhang mit der Störung AN sind Selbstbewusstsein, Kontrolle und Gefühlswahrnehmung. Diese Studie stellt die Body-Image-Störung als Merkmal der AN ins Zentrum, die als die wichtigste Ursache der Entstehung von AN betrachtete. Demzufolge ist die realistische Vorstellung vom eigenen Körper eine Vorbedingung zur Genesung. Der deutsche Begriff Körpererfahrung und der englische Begriff Body-Image enthalten sowohl die perzeptiv-kognitive Komponente als auch die emotional-affektive Komponente, also Körperschema und Körperbild. Dementsprechend wird in der deutschen Literatur auch zwischen Körperschema- und Körperbildstörungen differenziert, während in der englischen Literatur der Oberbegriff Body-Image-Disturbance verwendet wird. Da die Studie auf Störungen beider Komponenten eingeht, wird der Begriff Body-Image-Störung in der vorliegenden Arbeit als Oberbegriff verwendet. Die vorliegende Studie konzentriert sich auf die Objektbeziehungstheorie, eine Richtung innerhalb des psychoanalytischen Erklärungsansatzes. Der Ansatz wird hier bevorzugt, da das Verhalten des Menschen vollständig aus den sozialen Zusammenhängen - und zwar schon von Kind an - erklärt wird. Die Kunsttherapie wird hier als Interventionsform vorgestellt, da sie ermöglicht, die der Krankheit zugrunde liegenden Konflikte als denkbare Ursache in besonderer Form auszudrücken. Da die Symptomatik der AN aus objektbeziehungstheoretischer Sicht mehr als nur die Nahrungsverweigerung beinhaltet und einen Sinn erfüllt, soll seitens der Therapeutin und der Patientin ein vertieftes Symptomverständnis erreicht werden, um die Body-Image-Störung verbessern bzw. heilen zu können.
Textprobe: Kapitel 5.3.2, Pathologische Objektbeziehungen: Die Objektbeziehungstheorie kann zur Erklärung von Störungen der Körpererfahrung heran gezogen werden, da der Ursprung der ‘Psychopathologie des Körpererlebens’ in vielen Fällen in der ‘Urbeziehung des Säuglings’ liegt, folglich in der frühen Mutter-Kind-Bindung. Selvini Palazzoli und Hirsch beispielsweise greifen zur Erklärung des gestörten Körpererlebens anorektischer Patientinnen auf die Objektbeziehungstheorie zurück. Der Körper ist im folgenden Text damit ein Thema der Psychologie der primären Bindung und der daraus resultierenden ‘Körper-, Selbst- und Objektvorstellungen’ anorektischer Patientinnen. Im Auge der Psychoanalyse trägt die Beziehung des Individuums zu seinem Körper zu der Persönlichkeitsentwicklung bei. Die Persönlichkeitsentwicklung beginnt folglich in dem Augenblick, in dem das Kind seinen Körper als außerhalb des mütterlichen Objekts wahrnimmt. Das Kind bildet sein Ich heraus, indem es aufgrund der durch die Exploration entwickelten Selbst-Körperselbst-Konzeptionen zunehmend dazu fähig ist, zwischen inneren Bildern von Selbst, Körperselbst und äußeren Objekten zu differenzieren (Kapitel 4.4.3). In den Fällen des psychopathologischen Körpererlebens jedoch, wird der Prozess der Ablösung des Körpers von dem mütterlichen Objekt, u. a. aufgrund der mütterlichen Überfürsorge des Kindes, durch die andauernde Einverleibung des Objekts behindert, so dass der Zustand des Außenseins und die Trennung zur Mutter nur teilweise erkannt werden. Zur Körperpsychopathologie kommt es, wenn das Kind den eigenen Körper durch mangelhafte, emotionale Beziehung als Quelle schlechter Sensationen erlebt, sprich wenn das Kind wenige positive, körperliche Erfahrungen macht (Kapitel 4.4.3). Die meisten körperlich schlechten Erfahrungen, die das Kind während der einverleibenden primären narzisstischen Phase der Objektbeziehungen gemacht hat, bleiben im Körper des Kindes eingekehrt. Die Muster werden dann in der Phase des sekundären Narzissmus und später wiederholt. So entwickelt das Kind nach Bruch aufgrund der andauernden Einverleibung nur eine ‘Scheinautonomie’, die durch eine unauffällige Anpassung im Vorschulalter und durch das Fehlen sichtbarer Aggressionen gekennzeichnet ist. Durch die Scheinautonomie hat das Kind die Magersuchtstendenzen schon im Körper, da diese einen Zwischenzustand darstellt von Trennung und Nichtgetrenntsein von der Mutter. Das Kind ist einerseits nicht von der Mutter getrennt, da es sich an ihre Wünsche anpasst, erzielt andererseits jedoch eine Trennung, indem es sich die Mutter durch die Unauffälligkeit auf Distanz hält. Aufgrund der fehlenden Autonomieentwicklung wird das Mädchen erst in der Pubertät vor die Aufgabe gestellt, sich von der Mutter zu lösen. Die Ausbildung der weiblichen Körperformen und die darauf begründete wachsende Ähnlichkeit mit dem behindernden Mutterobjekt wird aufgrund der Schwierigkeiten beim Erkennen der Selbst-Objekt-Grenze zwischen der Mutter und dem Mädchen als erneute symbiotische Verschmelzung mit ihr erlebt. Nach Selvini Palazzoli enthält der Körper mit der Ausbildung der weiblichen Rundungen die ‘negativen inkorporierten Aspekte der Mutter’. Da der Körper in der Pubertät zunehmend mehr als das mütterliche Objekt selbst erlebt wird, möchte sich die anorektische Patientin (durch die Kachexie) von ihm trennen. Der Körper der Anorektikerinnen ‘enthält nicht nur das Objekt, sondern er ist es’. In den Fällen der AN im jungen Erwachsenenalter ist es möglich, dass eine Trennung in der Pubertät durch den engen Bezug gar nicht möglich war und die Loslösungsaufgabe von der Mutter erst mit dem Auszug aus dem elterlichen Haus geschieht. Die Persönlichkeit stellt als Folge einer gesunden Entwicklung eine Einheit dar (Kapitel 4.4.3). Das Erleben anorektischer Patientinnen jedoch weist auf eine Spaltung des Ichs in zwei Teile hin. Sie trennen zwischen der oralen Einverleibung, einem Triebvorgang, und der Identifizierung, einer Ich-Funktion. So verdeutlicht Fairbairn bei anorektischen Patientinnen die ‘Spaltung des Selbst in den Körper [als böses Objekt, Anm. d. Verf.] und in das zentrale Ich, das sich mit der guten Mutter identifizierende Ich’. Zur Erfahrung des Bösen kommt es nach Fairbairn demzufolge wie auch bei Selvini Plazzoli über die Introjektion einer bösen Mutter. Fairbairns Ich-Spaltung erinnert an Winnicotts Theorie vom wahren und falschen Selbst. So sagt auch Neubaur, dass das Zentral-Ich formal dem falschen Selbst bei Winnicott entsprechen könnte und das regredierte Ich, also der Körper, gleicht dem wahren Selbst, insofern es vom Außen abgewendet wird. Nach Fairbairn (1962) ist allerdings gerade das regredierte Ich das böse und schwache, während es für Winnicott das gute ist. Ein weiterer Unterschied zwischen Fairbairn und Winnicott besteht darin, dass das falsche Selbst bei Winnicott das Produkt eines Rückzugs ist, da diese Spaltung das Ergebnis der unangemessenen mütterlichen Reaktion auf die Bedürfnislage des Babys darstellt. Winnicott sagt demzufolge, dass der Säugling sich zurückzieht und Fairbairn hingegen nimmt an, es habe Aggressionen. Durch die Gleichsetzung des Körpers anorektischer Patientinnen mit den negativen Aspekten des einverleibten inneren Objekts Mutter kann diesem durch die Gewichtsreduktion und -kontrolle leichter Widerstand geleistet werden, um ihn von dem Ich zu trennen. Die libidinösen Anteile werden bei der AN dem Körper und seinen Bedürfnissen zugeordnet und ‘infolge der Spaltung vom Ich abgezogen’, im Falle der AN insbesondere das Hungerbedürfnis. Hirsch formuliert es so, dass der Körper als etwas erlebt wird, das alle Merkmale des primären Objekts besitzt wie es in der Situation oraler Hilflosigkeit wahrgenommen wurde: ‘wachsend, selbstgenügsam, drohend’. Da der Körper als böses Mutterobjekt in Schacht gehalten werden muss, ist die selbst herbeigeführte Gewichtsreduktion als Folge dieser Spaltung zu sehen. Wie der Hunger gilt auch die Sexualität im Hinblick auf den Spaltungsvorgang als ‘innere Kraft’. Das zentrale Ich hingegen enthält nur ideale Eigenschaften, z. B. ist es entsexualisiert und unfleischlich. Man könnte es als Ideal-Ich bezeichnen. Das Ziel anorektischer Patientinnen ist demgemäß die Rettung des zentralen Ichs von dem mütterlichen Objekt, also dem Körper. Der Körper wird demzufolge zur Rettung des Ganzen verwendet, damit das psychische Selbst intakt bleibt. Infolgedessen wird die Grenze zur Außenwelt nicht zwischen dem Selbst des Mädchens und der Mutter gezogen, sondern im Hinblick auf die gespalteten Teile, im Selbst, zwischen dem Körper und der Psyche. Damit wird die Aufgabe der Abgrenzung auf den Körper verschoben und dort ausgefochten. Die Selbst-Objekt-Grenzverwischung ist u. a. zusätzlich daran zu erkennen, dass anorektische Patientinnen ein Hochgefühl empfinden, wenn sie ihre Mutter ´mästen` können. Die Spaltung des Ichs kann als Abwehrsystem betrachtet werden, da anorektische Patientinnen durch die Kontrolle und die Beherrschung des Körpers als böses Objekt versuchen, die negativen inkorporierten Aspekte der behindernden Mutter zurück zu halten, um ihr eigenes zentrales Ich zu retten. Dieser Blickwinkel erinnert an die AN als ‘Form der Selbsterhaltung’, also die Betonung einer ‘Ich- Stärke [anstelle von, Anm. d. Verf.] Ich-Losigkeit’ anorektischer Patientinnen (Kapitel 3.6). Laut Selvini Palazzoli ist demzufolge das psychopathologische Körpererleben ‘unmittelbarer Ausdruck einer libidinösen und aggressiven emotionalen Beziehung zu negativen [erregenden und abweisenden, Anm. d. Verf.] Aspekten des einverleibten Objekts’. Die Grundlage dieses Körpererlebens besteht in der ‘Einverleibung der negativen Aspekte des primären Objekts [der Mutter, Anm. d. Verf.] mit anschließender Verdrängung und Abwehr gegen die Rückkehr dieses Objektes in das Bewusstsein’ Die AN stellt somit eine Reaktion auf die Spannung, Angst und Leere, die durch die Pubertät ausgelöst werden, dar. Durch das Abwehrsystem der Spaltung ist die Störanfälligkeit des Selbst-Körperselbst-Gefühls zu erkennen, d. h., dass das Selbst und Körperselbst leicht wieder auseinander fallen können. Der eigene Körper wird bei der Erkrankung AN wie in den frühen Entwicklungsabschnitten
Mareike Lüdeke, geb. 1984, Heilpraktikerin für Psychotherapie. Diplom-Heilpädagogik und Kunsttherapie an der Universität zu Köln, Abschluss 2009. Arbeit bei der Pflege- und Lebensgemeinschaft für autistisch behinderte Erwachsene in Wuppertal seit 2002. Übernahme der gesetzlichen Betreuung für einen autistisch behinderten Mann. Arbeit bei der Kontakt-, Koordinations- und Beratungsstelle für Menschen mit Behinderung (KoKoBe) im Freizeitbereich seit Anfang 2006. Arbeit als Co-Kunsttherapeutin in der Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Köln seit 2006. Mitgründung der Bergischen Schatzkiste in Wuppertal, einer Partnervermittlung für Menschen mit Behinderung September 2008.
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