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- Du bist, was du isst. Wissen wir noch, wer wir sind? Lebensmittelskandale in der modernen Nahrungskultur
Ernährung
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Abb.: 18
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Eines der prägenden Kennzeichen unserer gegenwärtigen Nahrungskultur - sofern dabei überhaupt noch von Kultur gesprochen werden darf - sind die alljährlich neuen Lebensmittelskandale. Die Häufung solcher Zwischenfälle gibt Anlass zu einer diffizilen Auseinandersetzung mit diesem Phänomen.In der vorliegenden Untersuchung wird der Frage nachgegangen, wieso Skandale auf dem sensiblen Feld der menschlichen Ernährung längst keine Seltenheit mehr sind. Und das, obwohl darin eine potentielle Bedrohung für unser aller Wohlbefinden und körperliche Integrität liegt. Den Ausgangspunkt bildet eine grundlegende Beschäftigung mit der modernen Nahrungskultur unter der Fragestellung, worin sich die gegenwärtige Ernährungsweise von der früheren, das heißt vorindustriellen, unterscheidet. Zahlreiche Faktoren und Entwicklungen summieren sich dabei zu der Erkenntnis, dass das Verhältnis des modernen Menschen zu Ursprung und Herstellung seiner Nahrungsmittel distanzierter geworden ist. Die dafür ursächlichen Prozesse werden als Entfremdung von der Nahrung zusammengefasst. Eben jener Entfremdungsprozess entfaltet seine Bedeutung in der anschließenden Erforschung von Lebensmittelskandalen. Auf die Analyse des Skandals im Allgemeinen und dessen Beschreibung als soziologisches Konstrukt folgt eine Darstellung des Lebensmittelskandals im Besonderen und vermittelt dabei die differierenden Perspektiven der Skandalbeteiligten. Im Ergebnis zeigt sich, dass Lebensmittelskandale unvermeidlich sind und bleiben, solange die Nachlässigkeit in Bezug auf das Thema Ernährung nicht durch ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit ersetzt wird.
Textprobe: Kapitel 3.3, Massenmedien, Werbung und Konsum: Ohne Werbung käme der Konsument womöglich auf die Idee, sich selbst zu entscheiden (Shelley Winters). Die moderne Alltagswelt wird entscheidend durch die allgegenwärtigen Medien geprägt. Den äußeren Rahmen formt eine Gesellschaft, in der traditionelle Milieuvorgaben verschwinden und Individualisierung richtungsweisend erscheint. Freiheitsgewinn und Selbstverwirklichung bilden die modernen Lebensmaximen – auch in Bezug auf Ernährungsfragen. Demgemäß konnten sich die verschiedenen Ernährungsstile und Nahrungsmitteltrends herausbilden. Allerdings gingen mit der Entwicklung im Ernährungssektor auch negative Begleiterscheinungen einher: der Vertrauensverlust der Verbraucher hinsichtlich der Herstellungsverfahren und Sicherheit der Lebensmittel, die Anonymisierung der Nahrungsbeschaffung, der Rückgang von Ernährungswissen und Ernährungskompetenz. Diese Prozesse als Facetten einer Entfremdung von der Nahrung führten zu allgemeiner Verunsicherung in Bezug auf ernährungsrelevante Fragen. Daraus erwachsen bei der alltäglichen Gestaltung des persönlichen Speiseplans Orientierungsprobleme, die durch das außerordentlich umfangreiche Angebot an Lebensmitteln weiter verstärkt werden. Hier liegt ein Ansatzpunkt für kommerzielle Maßnahmen mit denen Lebensmittelproduzenten versuchen, das Konsumverhalten zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Werbebotschaften für Nahrungsmittel sind inzwischen weit verbreitet und häufig von sehr eindringlicher und einprägsamer Art. Manch ein Konsument mag sich davon tatsächlich seine Entscheidungen abnehmen lassen, wie Shelley Winters, eine amerikanische Schauspielerin, in dem oben zitierten Ausspruch meinte. Aber auch außerhalb der Werbung ist die Informationsflut zum Thema Ernährung gewaltig. Zu klären ist zunächst, auf welchem Weg die beständig neuen Erkenntnisse zu Ernährungs-, Gesundheits- und Umweltfragen den Verbraucher bevorzugt erreichen, bevor dann auf die Auswirkungen der vielerorts präsenten Werbung genauer eingegangen werden wird. Informationsquellen und Informationskanäle: In einer modernen Gesellschaft ermöglicht Bildung den Menschen eine bewusste Lebensgestaltung für ein bedarfsgerechtes Handeln sind Orientierung und Information notwendig. Das gilt auch für die Verbraucherbildung im Bereich der Ernährung. In der frühen Kindheit ist für die Weitergabe entsprechender Kompetenzen allein die Familie verantwortlich. Grundlagen zur Ernährung werden familiär gelegt, bevor öffentliche Institutionen wie Kindergärten und Schulen diese erweitern und ergänzen. Wie oben bereits festgestellt, sind hier in jüngerer Vergangenheit deutliche Defizite erkennbar. Es zeigt sich, dass immer weniger Verbraucher über individuelle Kenntnisse und Erfahrung im Umgang mit Lebensmitteln verfügen. Anstelle der eigenen Orientierung tritt die extern vermittelte, die vor allem in Bezug auf Ernährung vielfältig und unübersichtlich bis widersprüchlich sein kann. Während Intensität und Qualität der familiären Ernährungssozialisation sinken, gewinnen die Medien hier zunehmend an Einfluss. Wie in vielen anderen Lebensbereichen der modernen Gesellschaft sind die Medien auch dort, wo es um die Vermittlung von Ernährungswissen geht, in mannigfacher Art vertreten: es gibt Kochbücher und Ernährungsratgeber, Feinschmeckerjournale und andere Lebensmittelzeitschriften, Rezeptvorschläge und Diätpläne in diversen Illustrierten, zahllose Sendungen zum Thema Essen in Fernsehen und Radio sowie spezielle Internetseiten, um nur einige Beispiele zu nennen. Zu unterscheiden ist zwischen Beiträgen, die sich dem Thema Ernährung mehr oder weniger direkt widmen (wie Kochsendungen, Ratgeber, Diskussionsrunden usw.) und einer indirekten Bezugnahme. So transportieren Massenmedien stark herrschende Ideale wie die von Schlankheit und Jugendlichkeit, die mittelbar mit der richtigen Ernährung in Zusammenhang stehen. Auch kann die Darstellung von Essgewohnheiten in Filmen und Serien die reale Organisation der Nahrungsaufnahme prägen. Zusammengenommen kann hier durchaus von einer medialen Ernährungssozialisation gesprochen werden. Bezüglich der Verbreitung von Ernährungsinformationen spielen die Printmedien und das Fernsehen eine herausragende Rolle. So hat eine Untersuchung ergeben, dass die Befragten vor allem durch Tageszeitungen (41%), TV-Ratgebermagazine (40%), Zeitschriften bzw. Magazine (43%), Fernsehnachrichten (26%), TV-Kochsendungen (24%) und durch Sendungen im Radio (19%) über das Thema Ernährung informiert werden möchten. Auch Mitteilungen von Krankenkassen, Broschüren von Apotheken und Drogerien sowie Berichte der Stiftung Warentest genießen eine hohe Glaubwürdigkeit und werden von 17% der Teilnehmer bevorzugt. Dagegen wünschen lediglich 7% eine Information durch staatliche Stellen. Die Präferenzen hinsichtlich der Informationsquellen variieren dabei nach Alter und Geschlecht sowie dem individuellen Ernährungsstil (vgl. oben). Durchgängig relevant und an Bedeutung nicht zu unterschätzen ist das Fernsehen, dem aufgrund seiner übergroßen Reichweite, seiner besonders eindringlichen Art der Informationsvermittlung und seiner Funktion als Begleitmedium im Alltag eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung ernährungsrelevanter Informationen zukommt. Mitteilungen zum Thema Essen unterscheiden sich nicht nur nach der Art ihrer Weitergabe, sondern vor allem hinsichtlich ihres Inhalts. Zu differenzieren ist hier nach anbieter-abhängigen und damit in der Regel interessengeleiteten Informationen und neutraler, möglichst wissenschaftlich gesicherter Aufklärung. Zwischen Beidem ist strikt zu trennen, was wiederum eine entsprechende Kompetenz der Verbraucher erfordert. Ideal wäre eine transparente Informationsgleichheit zum Zweck des Ausgleichs zwischen Anbietern und Verbrauchern. Die Realität ist davon weit entfernt: die Anbieter kennen die Konsumenten aufgrund zielgruppenorientierter Studien und Marktforschung wesentlich besser, während die Verbraucher immer weniger über Lebensmittel wissen. Alle Anbieter von Lebensmitteln sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Verbraucher zu informieren. Allein die Verordnung zur Lebensmittelkennzeichnung verlangt unter anderem Angaben zur Art des Produkts, Zutatenlisten, Nettofüllmengen, Mindesthaltbarkeitsdaten, besondere Aufbewahrungs- oder Verwendungsbedingungen, Herkunft und Preis. Über solche Pflichthinweise, die sich hauptsächlich auf der Verpackung finden, hinaus müssen Hersteller und Handel aber für ihre Produkte werben, um am Markt wahrgenommen zu werden. Dafür stehen sämtliche Arten der modernen Medien zur Verfügung. Mit dem Aufbau, der Vermittlung und der Wirkung solcher Werbebotschaften beschäftigt sich der folgende Abschnitt.
Cora Orlamünder wurde in Erfurt geboren. Sie absolvierte ihr Abitur in Plauen und studierte anschließend an der Universität Bayreuth Rechtswissenschaften und Soziologie. Ein Forschungsschwerpunkt lag dabei auf der Herausarbeitung rechtlicher Bezüge klassischer soziologischer Themen. Derzeit lebt und arbeitet Cora Orlamünder in Berlin.
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