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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Abb.: 22
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In der Handelsblattausgabe vom 12. April 2012 lautet das Titelthema Unternehmer gesucht! Es verweist auf den negativen Trend von Existenzgründungen in Deutschland. Die Zahl der Personen, die ein Gewerbe anmelden, hat in Deutschland einen alarmierenden Tiefststand erreicht. Laut Gründerreport der DIHK wird es im laufenden Jahr weniger als 400.000 neue Unternehmen geben – so wenige waren es schon seit 20 Jahren nicht mehr. Die Politik fürchtet um den drohenden Verlust des Unternehmergeistes. Erst vor kurzem betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einem Kongress der CDU in Berlin, wie wichtig es sei, dass wir unsere Neugierde, unser Tüftlertum, unsere Gründerfreundlichkeit und unsere Bereitschaft erhalten, für dieses Land immer neue Dinge zu entwickeln. Trotz dieser motivierenden Worte scheint sich der Trend des Rückgangs auch in anderen Untersuchungen zu bestätigen. So titelte auch der KFW-Gründungsmonitor, welcher jährlich das Gründungsgeschehen in Deutschland analysiert, für 2012: Boom auf dem Arbeitsmarkt dämpft Gründungsinteresse . Jedoch zeichnet sich in einem anderen Gebiet eine gegenläufige Bewegung ab. Immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund gründen Unternehmen. In dieser Studie wird die quantitativ bedeutsame Gruppe der türkischstämmigen Existenzgründer in Deutschland untersucht. Die Studie umfasst ein sehr breites Spektrum an Entrepreneurship –Forschung und gliedert sich in einen theoretischen Teil und in einen methodischen Teil, welcher die Untersuchung in Kassel miteinschließt. Im theoretischen Abschnitt werden die Begriffe der Gründungsforschung geklärt. In der allgemeinen Gründungsforschung fällt oft der Begriff des Entrepreneurs. Für diesen gibt es keine exakte Definition. Durch den Vergleich von Unternehmer und Entrepreneur wird eine Definition hergeleitet, um die Bedeutung besser verständlich zu machen. In Kapitel drei wird der aktuelle Forschungsstand im deutschsprachigen Raum umfassend dargestellt. In Kapitel sechs werden die durch einen eigenständig erstellten Fragebogen erhobenen Daten abgebildet und diskutiert, wonach die Unterschiede bezüglich des Gründungsverhaltens der ersten und zweiten Generation der in Kassel ansässigen türkischstämmigen Unternehmensgründer dargestellt werden. Die Theorien der Ethnischen Ökonomie, die die Selbstständigkeit der Migranten erklären, bilden das letzte Kapitel des theoretischen Teils der Arbeit.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Erklärungsansätze im Ethnischen Entrepreneurship: Die im vorherigen Kapitel vorgestellten Studien zum Forschungsstand in der Ethnischen Ökonomie verdeutlichen, dass im deutschsprachigen Raum vorwiegend strukturelle Analysen überwiegen, die anhand der deskriptiven Daten die Gründungsmotive der ethnischen Entrepreneure zu erklären versuchen. Es sind keine theoretischen Analysen vorhanden. Im angloamerikanischen Raum wird seit den 1970ern theoretisch und konzeptionell nach den Determinanten der Entstehung von Ethnischem Unternehmertum geforscht. Zu den bekanntesten zählen Light (1972), Bonacci (1973), Waldinger (1990) sowie Kloostermann und Rath (2000). Theoretische Ansätze sind nach Studienziel und Ethnie immer unterschiedlich. Jede ethnische Gruppe hat aufgrund ihrer historischen Entwicklung im Aufnahmeland eine andere Motivation oder andere Einflussfaktoren, die die Gründung beeinflussen. Hier sollen jedoch die wichtigsten Studien zur Erklärung der ethnischen Ökonomie zusammengefasst werden. 4.1, Middleman Minority Ansatz: Der Middleman Minority Ansatz gilt als theoretischer Unterbau der Auseinandersetzung mit ethnischen Minoritäten. Die von Bonacich entwickelte Theorie (1973) sieht die ethnischen Unternehmer in der Rolle eines Vermittlers zwischen Gesellschaft im Zielland und der eigenen ethnischen Gruppe. Einerseits identifizieren sich die Unternehmer mit der Lebenswelt und den Zielen des Aufnahmelandes, andererseits sind sie auch Repräsentanten ihrer eigenen Kultur. Sie werden als Puffer zwischen der Elite und der breiten Masse beschrieben und übernehmen somit eine intermediäre Rolle. Diese Zwischenrolle führt dazu, dass sie Feindseligkeiten aus der eigenen ethnischen Gruppe und aus dem Aufnahmeland ausgesetzt sind. Beispiele für middleman minorities sind die Juden in Europa, Chinesen in Südostasien oder die Armenier in der Türkei. In diesem Modell werden viele Aspekte, wie rechtliche Rahmenbedingungen sowie individuelle und kulturelle Ressourcen, nicht berücksichtigt. Daher wird der Ansatz als veraltet und nicht gut für die Erklärung von ausländischer Selbstständigkeit genug befunden. Es gibt jedoch Modelle, die die Entstehung der Ethnischen Ökonomie besser veranschaulichen. Hier unterscheidet man zwischen opportunitätsorientierten Ansätzen und ressourcenorientierten Ansätzen. Die opportunitätsorientierte Ansätze, in der Literatur auch öfter als strukturelle Ansätze bezeichnet werden, erklären die Entstehung von ethnischen Ökonomien durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Zu diesen Ansätzen zählen das Reaktionsmodell und das Nischenmodell. Das Kulturmodell und das Ressourcenmodell werden ressourcenorientierten Ansätzen zugeordnet, die sich bei Erklärungen auf die ethnischen Eigenschaften stützen. 4.2, Kulturmodell: Das Kulturmodell nach Light geht der Frage nach, warum manche Migranten überproportional in die Selbstständigkeit gehen. Laut diesem Modell sind bestimmte Gruppen traditionell und kulturell eher dazu geeignet ein Geschäft erfolgreich zu führen als andere. Einflussfaktoren für die stärkere Selbstständigenneigung sind spezifische kulturelle Merkmale und Handlungsstrategien, die aus den traditionellen Verhaltensweisen der Herkunftsregion stammen. Die Migrationsentscheidung in ein anderes Land ist ein selbstselektiver Prozess. Viele verlassen die Heimat, um bessere Bedingungen und höheres Einkommen zu erzielen. Diese Personen sind durch Ehrgeiz, Unabhängigkeitsstreben, Selbstvertrauen und geringe Risikoaversion sowie große Leistungsbereitschaft charakterisiert. Die individuellen Eigenschaften wirken fördernd auf die Entscheidung im Aufnahmeland selbstständig zu werden. Die Annahme, dass bestimmte Ethnien eher den Weg in die Selbstständigkeit wagen, ist durch höhere Selbstständigenquoten in den Herkunftsländern nachweisbar. So lag die Selbstständigenquote in der Türkei Ende der 1990er mit 30% über der Quote in Deutschland mit nur 10%. 4.3, Ressourcenmodell: Nach dem Ressourcenansatz ergeben sich die Möglichkeiten der Gründung für die Einwanderer durch die Aktivierung gemeinsamer spezifischer ethnischer Ressourcen. Ethnische Ressourcen sind diejenigen, die einem Entrepreneur aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Ethnie, bedingt durch seine Herkunft oder seines Migrationshintergrunds, zur Verfügung stehen. Ethnische Ressourcen entstehen durch das Zusammenleben in der ethnischen Community. Konsumgewohnheiten und Arbeitstugenden werden unter den Landsleuten weitergegeben. Es herrscht ein innerethisches Netzwerk, das den Zugang zu ethnischen Finanzmitteln und ethnischen Arbeitskräften ermöglicht. Blockaden innerhalb der Aufnahmegesellschaft, wie zum Beispiel Sprachprobleme oder abgelehnte Kreditanträge, können somit durch die ethnischen Ressourcen umgangen werden. Light unterscheidet des Weiteren die Klassenressourcen. Hier wird davon ausgegangen, dass die ethnischen Ressourcen mit der Zeit an Bedeutung verlieren und Ressourcen der Klasse in den Vordergrund treten. Diese sind dagegen materieller Art. Hierzu zählen eigene Ersparnisse, persönlicher Reichtum und Humankapital. Andererseits können die Klassenressourcen auch als Vertrautheit mit der Aufnahmegesellschaft beschrieben werden. Dazu gehören berufliche Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie das Wissen über Werte, Einstellungen und kulturelle Orientierungen in der Aufnahmegesellschaft, die im Laufe von Sozialisationsprozessen gewonnen werden. Die Symbiose von ethnischen kulturellen Ressourcen und Klassenressourcen determinieren die Selbstständigkeit im Aufnahmeland. 4.4, Nischenmodell: Das Nischenmodell als opportunitätsorientierter Ansatz erklärt die Gründungen der ersten Einwanderergeneration. Wie in der ethnischen Nischenökonomie erläutert, orientieren sich die Existenzgründer nach dieser Theorie an dem spezifischen Nachfragepotential ihrer Landsleute, die von Einheimischen nicht befriedigt werden können. Diese Bedingungen ermöglichen den Einstieg in die Selbstständigkeit für Migranten aufgrund der zu erwartenden Absatzchancen. Sie stehen so auch nicht in Konkurrenz mit deutschen Betrieben und ergänzen zusätzlich die Aufnahmegesellschaft. Die ausschließliche Orientierung an Angehörigen der eigenen Ethnie beschreibt die Aufbauphase, denn langfristig kann die einseitige Orientierung nur begrenzt Umsatz und Gewinnentwicklungen bringen. Die Nische kann nur für eine bestimmte Anzahl von Unternehmen Platz bieten. Auch wird davon ausgegangen, dass sich das Konsumentenverhalten der Migranten mit steigender Aufenthaltsdauer demjenigen der Aufnahmegesellschaft anpasst. Die Nische kann somit schnell zur Sackgasse werden. In der Entwicklungsphase wird die Orientierung zum offenen Markt auch als ‘breaking out’ bezeichnet. Das Produktangebot wird hierbei erweitert oder in Bereiche verlagert, die von der Mehrheitsgesellschaft geräumt waren. Durch die Verlagerung von großen Supermärkten in Außengebiete entstehen Lücken in der innerstädtischen Nahversorgung, die von ethnischen Entrepreneuren besetzt werden. In einigen Bereichen in Deutschland gibt es Gewerbe, das ausschließlich von bestimmten Migrantengruppen betrieben wird. Zum Beispiel stellen Änderungsschneidereien der türkischen Ethnie schon längst einen wichtigen Bestandteil der Nahversorgung aller Bürger dar. Die Änderung des Konsumentenverhaltens der Einheimischen trägt dazu bei, dass sich die Kundenstruktur der Nischenbetriebe ändert, obwohl ihr Warenangebot gleich bleibt. Somit wird der Prozess zum offenen Markt indirekt auch von den Einheimischen getragen. Heute fällt es sehr schwer noch Nischen vorzufinden, da sich der Entwicklungsprozess in allen Nischen vollzogen hat und viele Nischenökonomien sich in den Markt integriert haben. Interessant unter dem Aspekt des Nischenmodells ist es jedoch zu untersuchen, ob sich die zweite Generation der Einwanderer bei ihrer Selbstständigkeit eine gleiche Entwicklung von der Nischenökonomie zur Ergänzungsökonomie durchläuft wie die erste Generation. 4.5, Reaktionsmodell: Das den opportunitätsorientierten Ansätzen zugeschriebene Reaktionsmodell beschreibt die selbstständige Erwerbstätigkeit von Migranten als eine Reaktion auf Diskriminierung und blockierte Gelegenheiten. Vorwiegend spielen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt eine Rolle. Die ersten Einwanderer nach Deutschland wurden für extrem einfache und ohne jede Qualifikation zu bewältigende Aufgaben rekrutiert. So fanden sie vor allem im primären Sektor oder in der Montanindustrie eine Beschäftigung. Durch den technologischen Fortschritt, Rationalisierungsmaßnahmen und den Wandel vom primären Sektor in den sekundären Sektor waren vor allem die Migranten am stärksten betroffen. Ihre Arbeitskraft wurde durch die Umbrüche überflüssig. Aufgrund ihrer schlechten Qualifikation und Sprachprobleme hatten sie es schwer wieder eine Beschäftigung zu finden. ‘Eine Implikation des Reaktionsmodells ist, dass die Entwicklung einer ethnischen Unternehmerlandschaft als Abbild der Situation auf dem Arbeitsmarkt begriffen wird.’ Als Überlebensstrategie und Flucht vor der Arbeitslosigkeit wird die Existenzgründung gewählt. Vielfach spricht man hier von dem Begriff ‘Ökonomie der Not’ Die Selbstständigkeit wird als Flucht vor der Arbeitslosigkeit, der blockierten Mobilität gesehen. Da viele dieser Migranten eine schlechte berufliche Qualifikation vorweisen könnten, hatten sie nur die Möglichkeit in Branchen selbstständig zu werden, wo die Eintrittsbarrieren sehr gering waren und keine höheren Bildungsabschlüsse oder Vorqualifikationen verlangt wurden. Dies waren vor allem Branchen mit sehr geringen Gewinnmargen, kleine Einzelhandel oder kleine Export –Importläden. Es gibt wenige Studien die aufzeigen in wie weit die zweite Generation als Reaktion auf die drohende Arbeitslosigkeit den Weg der Selbstständigkeit wählt.

Über den Autor

Ilyas Gökce, Diplom- Ökonom, wurde 1982 in Seesen am Harz geboren. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Kassel schloss der Autor im Jahre 2012 mit dem akademischen Grad des Diplom- Ökonomen erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische betriebswirtschaftliche Erfahrungen in Unternehmen. Fasziniert von der türkischen Kultur und Sprache, verbrachte der Autor ca. ein Jahr in der Türkei, um dort die Besonderheiten des Landes und des türkischen Unternehmergeistes kennenzulernen. Sein eigener Migrationshintergrund und sein wirtschaftswissenschaftliches Studium motivierten ihn zusätzlich, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

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