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- Professionalisierung der Physiotherapie in Deutschland: Bestrebungen im Bereich Ausbildung und Qualitätsmanagement
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Abb.: 7
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Als Inhaber einer Praxis für Physiotherapie und gleichzeitig Student an einer Fachhochschule in einem berufsbegleitenden Weiterbildungsstudiengang mit Schwerpunkt Therapiemanagement, ist der Autor selbst - mit einem kleinen Anteil - am Prozess der Professionalisierung beteiligt. Aus dieser Situation heraus ist die Motivation entstanden, dieser Sache mit der Professionalisierung einmal auf den Grund zu gehen. Daraus entstand die folgende Fragestellung: Sind die derzeitigen Bestrebungen im Bereich Ausbildung und Qualitätsmanagement geeignet, eine Professionalisierung der Physiotherapie in Deutschland zu erlangen?
Textprobe: Kapitel 3.4, Entwicklung der Physiotherapie in Deutschland: [...] 1852-1899: Der Berliner Arzt und Orthopäde Albert C. Neumann (1803-1876) hörte von der Methode Lings, er reiste nach Stockholm (Schweden) und informierte sich über die schwedische Heilgymnastik . Nach seiner Rückkehr entstand in Berlin, im Jahre 1852, unter seiner Leitung eine Heilgymnastikschule nach schwedischem Vorbild. In dieser wurden anfänglich sowohl Männer als auch Frauen unterrichtet. Neumann verglich die Stellung des Gymnasten mit der eines Apothekers, in Kooperation mit den ärztlichen Spezialisten [vgl.: Uhlmann, 2004]. Neumanns Bestrebungen bestanden darin einen staatlichen Auftrag für die Ausbildung von Gymnastinnen zu erhalten. Seinem Ansinnen wurde aber von staatlicher Seite nicht entsprochen, da die offensichtliche Notwendigkeit, für einen eigenen Ausbildungsgang nicht gesehen wurde [vgl.: Schämann, 2005]. Durch den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 und den damit verbundenen Bestrebungen einer schnellen Rehabilitation von Kriegsverletzten erhielt die Heilgymnastik aber weiteren Auftrieb [vgl.: Schämann, 2005]. 1900-1913: Der Kieler Chirurg Johann Hermann Lubinus gründete nach seinem Aufenthalt am schwedischen Zentralinstitut, im November 1900, die erste staatliche Schule mit zweijähriger Ausbildung für Heilgymnastinnen an seiner Klinik. Er erkannte den großen Bedarf an ausgebildeten Heilgymnasten und installierte eine Ausbildung in zwei Teilen. Das erste halbe Jahr führte zu einer Ausbildung als Turnlehrerin, die anschließenden eineinhalb Jahre bestanden aus theoretischem und praktischem Unterricht in orthopädischer und medizinischer Gymnastik und Massage. Bis 1919 blieb die Schule in Kiel die einzige ihrer Art in Deutschland. Über die Zielsetzung der Ausbildung schrieb Lubinus 1913 in der Münchener Medizinischen Wochenschrift : [vgl.: Hüter-Becker, 1986] Ich habe mich zunächst mit einer kleinen Schülerinnenzahl begnügt, um erst selbst einmal einen Überblick zu gewinnen, wie sich diese Heilgymnastinnen in unsere deutschen Verhältnisse einfügen denn dass dieselben mit den ärztlichen Interessen vielleicht kollidieren könnten, war immerhin möglich. Ich suchte einer solchen Gefahr vorzubeugen, einerseits dadurch, dass ich im Unterricht jede Gelegenheit benutzte, ihnen die Grenzen ihres Arbeitsgebietes klar zu machen, andererseits aber auch dadurch, dass in das Prüfungszeugnis der Passus aufgenommen wurde, dass es ihnen nur gestattet sei, nach ärztlicher Vorschrift Heilgymnastik und Massage auszuüben [Lubinus in Nitschke, 1990]. Im Jahr 1912 wurde auf dem Jahreskongress der Gesellschaft für orthopädische Chirurgie dann die folgende Resolution erlassen: Im Hinblick auf die bedenklich um sich greifende Laientätigkeit auf dem Gebiet der Massage und Heilgymnastik gibt die Gesellschaft für orthopädische Chirurgie ihrer Ansicht darin Ausdruck, dass in der Massage gegen die Ausbildung von Laien als Hilfskräfte der Ärzte seitens ärztlich geleiteter Institute nichts einzuwenden ist, weil derartige Hilfskräfte nicht zu entbehren sind. Dagegen hält die Gesellschaft für orthopädische Chirurgie die schematische Ausbildung von Laien in der allgemeinen orthopädischen Heilgymnastik durch ärztliche Institute für sehr bedenklich, weil dieses Gebiet nach dem heutigen Stand der Wissenschaft immer mehr Gegenstand spezialärztlicher Tätigkeit geworden ist. Besonders unangebracht aber erscheint die Ausbildung solcher Laienelemente durch ärztliche Institute mit der Inaussichtnahme späterer selbständiger Tätigkeit der Betreffenden, die gerade auf diesem Gebiet als durchaus unzulässig bezeichnet werden muss der schweren Schädigungen wegen, die daraus für den Patienten entstehen können [Bade, 1939 zitiert nach Grosch, 1984 bei Schewior-Popp, 1999 und Schämann, 2005]. Bereits mit dieser Resolution werden schon, zu einem chronologisch sehr frühen Zeitpunkt, die standespolitischen Widerstände, zumindest eines Teils der Ärzteschaft, in Bezug auf eine Professionalisierungstendenz eines nicht ärztlichen Gesundheitsberufs offen dargelegt [vgl.: Schewior-Popp, 1999]. 1914-1919: Auf Grund der hohen Anzahl an Kriegsverletzten während des Ersten Weltkriegs (1914-1918) und dem damit verbundenen steigenden Bedarf an Rehabilitationsmaßnahmen, stieg auch der Bedarf an Heilgymnastinnen. Dieser hohe Bedarf konnte aber nur mit angelernten Kräften (z.B. Turnlehrer) gedeckt werden. Dennoch wurde erst im Jahr 1919 eine weitere Schule, die Sächsische Staatsanstalt für Krankengymnastik in Dresden, gegründet. Hier fand auch erstmals der Begriff Krankengymnastik im offiziellen Sprachgebrauch Verwendung. 1920-1936: In den zwanziger und dreißiger Jahren wurden weitere Schulen gebildet. Zur gleichen Zeit kam es zur Ausweitung des Einsatzbereiches der Krankengymnastik, über die klassischen Fachbereiche der Orthopädie und Chirurgie hinaus. Die Krankengymnastik entwickelte sich von der schwedischen Gymnastik , mit den Primärelementen von Widerstands-, Spannungs- und Halteübungen weg, hin zu einer dynamischen, aber auch entspannenderen Form der Gymnastik. In diese Zeit fallen die Etablierung neuer Behandlungsmethoden wie z. B. Atemgymnastik, Klapp’sches Kriechen, Dreidimensionale Skoliosetherapie nach Katharina Schroth, Bindegewebsmassage nach Dicke und Teirich-Leube usw. [vgl.: Schämann, 2005]. Zu dieser Zeit wurden auch zahlreiche neue Schulen gegründet, so zum Beispiel 1926 in München, 1928 in Frankfurt, 1929 in Marburg und 1935 in Freiburg. Ein erster Schutz der Berufsbezeichnung entsteht ebenfalls in diesem Zeitfenster. Darin wird es Nicht-Krankengymnastinnen untersagt, eine Berufsbezeichnung zu führen, die den Anschein erwecken könne, es handle sich um eine staatlich geprüfte Krankengymnastin [vgl.: Hüter-Becker, 1986]. 1937-1945: Durch den Zweiten Weltkrieg (1937-1945), wurde erneut ein immenser Bedarf an Krankengymnastinnen ausgelöst. Wieder konnte der Bedarf nur durch in Kurzlehrgängen angelernte (z. B. Sportlehrer) oder sogar durch unausgebildete Helfer gedeckt werden. Hierdurch erlitt die Krankengymnastik deutliche Einbußen in ihrer in gewisser Weise qualitätsgesicherten Entwicklung, und ein effektiverer Schutz der Berufsbezeichnung erschien immer wichtiger [vgl.: Schewior-Popp, 1999 und Schämann, 2005]. Hinsichtlich des Professionalisierungsprozesses der Krankengymnastik in Deutschland, handelt es sich bei dem Zeitraum der Anfänge der Krankengymnastik Mitte des 19. Jahrhunderts, über die ersten Schulgründungen, bis hin zum Zweiten Weltkrieg, um die Phase der Berufsfindung und Verberuflichung, mit ersten Regelungsansätzen auf der Verordnungsebene in unmittelbarer Anbindung an die ärztliche Behandlung [Schewior-Popp, 1999]. 1946-1949: Ein wichtiger Schritt dazu war die Gründung eines Berufsverbandes. Die Gründung der ersten Landesverbände kann auf das Jahr 1946 datiert werden. Im Februar 1948 verabschiedete als erstes Hamburg eine Verordnung über Ausbildung und Prüfung von Krankengymnastinnen , ein knappes Jahr später folgte Niedersachen mit der Verordnung über die berufsmäßige Ausübung der Krankengymnastik und der Errichtung von Krankengymnastikschulen . Diese beiden Verordnungen wurden noch vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, am 23. Mai 1949, von Ländern innerhalb der Britischen Zone erlassen. So wurde die englische Physiotherapieausbildung zum Vorbild im West-Deutschland der Nachkriegsjahre – dies gilt im Übrigen auch in Hinsicht auf die Zulassung männlicher Schüler [vgl.: Schewior-Popp, 1999]. Auf dem Deutschen Orthopädenkongress im April 1949 wurde eine, vom Vorstand ausgearbeitete, Denkschrift der Deutschen Orthopädischen Gesellschaft über die Ausbildung von Krankengymnastinnen veröffentlicht: Der Berufsstand der Krankengymnastinnen aber und damit das Niveau der deutschen Krankengymnastik, ist seit dem Kriege auf das schwerste gefährdet. Es liegt im Interesse der Volksgesundheit dieses Niveau zu erhalten und weiter zu erhöhen... . Es folgt eine Übersicht über die Arbeitsgebiete der Krankengymnastik und weiter: … Es ist selbstverständlich, dass diese differenzierten Behandlungsmethoden nur solchen Krankengymnastinnen anvertraut werden können, die eine sorgfältige Ausbildung auf allen diesen Gebieten erfahren haben [Deutsche Orthopädische Gesellschaft, 1949]. Diese Denkschrift zeigt einen Wandel in der Anerkennung der Arbeit von Krankengymnastinnen gegenüber der Resolution der Gesellschaft für orthopädische Chirurgie aus dem Jahr 1912. Wurde 1912 noch von einer Laientätigkeit in den Bereichen Orthopädie und Chirurgie gesprochen, und diese wurde abgelehnt, so war durch die vielfachen Erfahrungen aus den zwei Weltkriegen ein deutlicher Wandel in der Akzeptanz der Verfahren der Krankengymnastik durch die Ärzteschaft zu erkennen. Die Niedersächsische Ausbildungsverordnung wurde hierbei als beispielhaft im Sinne der Vereinheitlichung und Qualitätssicherung angeführt. Weiterhin wurde auf diesem Kongress festgestellt: Die völlige Verkennung des Wesens und der Bedeutung der Krankengymnastik drückt sich auch in der beruflichen Eingliederung der Krankengymnastinnen aus. Die Krankengymnastinnen gehören in die Gruppe des medizinisch-technischen Hilfspersonals und sind den ausgebildeten technischen Assistentinnen gleichzustellen. Stattdessen werden sie aber in den Berufsverbänden fast überall einfach als Masseusen bezeichnet und eingegliedert, zusammen mit den Fußpflegern und ähnlichen Berufsgruppen. Hier geben natürlich die sehr viel robusteren Masseure den Ton an, so dass die Interessen der Krankengymnastinnen keine Berücksichtigung finden können. Eine Änderung dieser völlig verfehlten Eingliederung muss mit Nachdruck gefordert werden [Deutsche Orthopädische Gesellschaft, 1949]. Bemerkenswert bei diesem Zitat sind zwei Äußerungen, dass hier zum einen eine standesmäßig-hierarchische Einordnung der Krankengymnastik als dem Arzt unterstehender Hilfsberuf mit gehobenen Status und deutlicher Abgrenzung zum Masseur getroffen wird. Zum anderen wird das weibliche Geschlecht der Krankengymnastinnen hervorgehoben, welches sie faktisch dem robusteren Masseur gegenüber zum beschützenswerten Wesen macht [vgl.: Schewior-Popp, 1999]. Als Konsequenz für die Verbandsvertreterinnen ergab sich daraus: Wollte man sich der ärztlichen Unterstützung gewiss sein, so gab es keine Alternative zum einmal eingeschlagenen Weg, der Abgrenzung von den Masseuren. Hier schon zeigte sich das Dilemma, in dem sich fast alle Gesundheitsberufe seither befinden: die soziale Stellung und Anerkennung auf der einen und die professionelle Autonomie auf der anderen Seite [vgl.: Schewior-Popp, 1999]. Am 5.11.1949 wurde dann der Zentralverband der krankengymnastischen Landesverbände im westdeutschen Bundesgebiet e. V. gegründet, der 1954 in Zentralverband Krankengymnastik e. V. und 1979 in Deutscher Verband für Physiotherapie – Zentralverband der Krankengymnasten (ZVK) e. V. umbenannt wurde, gegründet [vgl.: Hüter-Becker, 1985]. Die Gründung des Zentralverbandes kann damit auch als Bemühen verstanden werden, den Berufsverbänden der Masseure eine wirksame Organisation entgegenzusetzen und somit den Einverleibungsbestrebungen durch die Masseure zu widerstehen. Dieses Bestreben wurde dann auch von der Deutschen Orthopädischen Gesellschaft ausdrücklich unterstützt. Das Ziel der Ärzte war es ja, die Krankengymnastik als gehobenen Frauenberuf zu etablieren und dies in deutlicher Abgrenzung zum männlich dominierten Beruf des Masseurs [vgl.: Deutsche Orthopädische Gesellschaft, 1949 und Schewior-Popp, 1999]. 1950-1960: In der Zeit von 1950 bis 1953 wurden in weiteren Bundesländern Gesetze oder Verordnungen, zur berufsmäßigen Ausübung der Krankengymnastik erlassen. Diese orientierten sich alle an der Niedersächsischen Verordnung aus dem Jahre 1949. Die Bundesländer im Einzelnen waren: Bremen 1950, Bayern 1953 (hier wurde die Ausübung der Massage in einem eigenen Gesetz geregelt) und Berlin 1953 [vgl.: Schewior-Popp, 1999]. Am 01.12.1953 fand im Bundesinnenministerium eine Besprechung von Grundsatzfragen über eine gesetzliche Regelung der Berufsausübung der Massage und der Krankengymnastik , mit Vertretern aus beiden Berufsgruppen, der medizinischen Gesellschaften, sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des Deutschen Bäderverbandes statt. Ziel war die Schaffung einer bundeseinheitlichen Regelung der Ausbildung im Bereich der Krankengymnastik.
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