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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 132
Abb.: 13
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Mediennutzung im Allgemeinen und die Hörfunknutzung im Speziellen haben sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ebenso verändert, wie sie sich auch in den kommenden Jahren verändern wird. Seit fast zehn Jahren wird die für die Finanzierung der Privatradios wesentliche Erhebung der Hörerzahlen mit dem oft und von vielen Seiten kritisierten Befragungssystem der Media-Analyse-Radio durchgeführt. Während dieser Zeit sind zahlreiche neue Erhebungsmethoden in anderen europäischen Ländern getestet und teilweise eingeführt worden. Eines der Systeme, welches bereits seit mehreren Jahren eingesetzt wird, ist das Radiocontrolsystem der Schweiz, bei dem die Probanden nicht mehr befragt werden, sondern ihr Hörverhalten durch eine Armbanduhr gemessen wird. Der Autor untersucht in seiner Arbeit, ob Radiocontrol tatsächlich zuverlässigere und korrektere Ergebnisse liefern kann als die Media-Analyse Radio und ob ein Einsatz von Radiocontrol in Deutschland überhaupt umsetzbar ist.
Kapitel 7.1.1, Befragung oder Messung: Einige Kritiker von Radiocontrol behaupten, dass diese Methode nicht notwendig sei, weil die Gedächtnisleistung der Befragten für eine korrekte Erhebung ausreichen würde. Dem widersprechen Manuel DÄHLER und Martin STEINMANN, denn laut Befragung hören beispielsweise die Schweizer 1,4 Radiosender pro Tag. Eine vergleichende Messung hat aber ergeben, dass 2,4 Radiosender pro Tag gehört werden. Sie vermuten sogar, dass die geringe Zahl der erinnerten Sender ein Zeichen für die Überforderung der Gedächtnisleistung der Befragten ist. Kritiker der Media-Analyse gehen deshalb von einer Verzerrung der Ergebnisse durch falsche oder unvollständige Erinnerungen der Befragten aus, da die Media-Analyse nur die Radionutzung misst, die erinnert wird und Erinnerungen hauptsächlich außergewöhnliche Ereignisse, nicht aber Alltägliches reproduzieren. Im Endeffekt entscheidet bei der Media-Analyse die Erinnerungsleistung des Befragten über die gemessenen Hörerzahlen. Wie bereits in Kapitel 5.5.3 angerissen, wird die Qualität der Erinnerungsleistung von den Kritikern der Media-Analyse stark angezweifelt. Gründe dafür sind in erster Linie, dass der Mensch sich an Dinge, die einträglich und auffällig sind, deutlich leichter erinnert. Da die Radionutzung für viele Menschen jedoch ein alltägliches, beiläufiges Ereignis ist, fällt die Erinnerung daran schwerer. Um diese These zu überprüfen, wurde im Vorfeld der Radiocontrol-Einführung ein Test durchgeführt. 135 Personen, die die Uhr bereits zu Testzwecken trugen, wurden während der Tragewoche von einem Interviewer besucht und mit einem herkömmlichen persönlichen Medienstudien-Interview zu ihrer Radionutzung befragt. Im Anschluss verglichen die Medienforscher die Ergebnisse der Befragung mit den durch die Uhr gemessenen. Es stellte sich heraus, dass sich nur bei 18 Prozent der Befragten die gemessene Nutzung weniger als 15 Prozent von der erfragten Nutzung unterscheidet. Bei 42 Prozent der Befragten lag die erfragte Nutzung um 15 Prozent und mehr über der gemessenen. Bei 40 Prozent der Befragten lag sie um 15 Prozent und mehr unter der gemessenen Nutzung. Also haben in der Befragung insgesamt 82 Prozent der Testpersonen Werte angegeben, die sich um 15 Prozent und mehr von der gemessenen Radionutzung unterscheiden. So ist vor allem bei denjenigen, die häufig während längerer Tagesaktivitäten Radio hören, die Nutzung im Interview höher ausgefallen, als die gemessene Nutzung. Das geschieht zum Beispiel, wenn eine Person Berufsarbeit im Büro als Tätigkeit angibt und aussagt, sie hätte währenddessen Sender X gehört. In diesem Fall wird durch die Medienstudie und die Media-Analyse dem Sender eine Nutzung während der gesamten Bürozeit zugewiesen. Die Uhr misst jedoch nur einen Teil dieser Nutzung, weil die Person wahrscheinlich nicht ununterbrochen im Büro war, oder das Radio während eines Telefonates auch kurz ausgeschaltet haben könnte. Bei denjenigen, die Radio hauptsächlich während kürzerer Tagesaktivitäten nutzen, ist es umgekehrt. Hier fiel die im Interview erfragte Nutzung geringer aus, als die gemessene. Der Grund hierfür ist, dass die Radionutzung, die an kurzfristige Tätigkeiten wie Frühstück, Morgentoilette oder die Fahrt zur Arbeit gebunden ist, durchaus genau und mit der Messuhr übereinstimmend erfasst wird, weil ein Tätigkeitswechsel oft mit einem Raumwechsel und einem Wechsel der Mediennutzung verbunden ist. Die Radionutzung, die während längerer Tätigkeiten anfällt, wird jedoch nicht so gut erinnert. So kommt es dazu, dass Befragte ein Teil der Radionutzung vergessen, wenn er nicht an eine kurzfristige fest definierte Tätigkeit gebunden ist. Somit kann festgestellt werden, dass eine technische Messung der Hörfunknutzung prinzipiell genauere Ergebnisse liefert, als eine erinnerungsbasierte Befragung. Unter den gewissen genannten Bedingungen kann zwar auch eine Befragung zuverlässige Resultate liefern, diese lassen sich aber nicht permanent gewährleisten. Intensität der Hörfunknutzung: Die Media-Analyse Radio ermittelt lediglich die Radionutzung, die einen Tag, nachdem sie erfolgt ist, vom Befragten erinnert wird. Im Gegensatz dazu misst Radiocontrol mit Uhren die Radionutzung in dem Moment, in dem sie geschieht. Allerdings wird hierbei von den Kritikern des Systems bemängelt, dass jede Radionutzung gemessen und auch gleichstark gewertet wird, unabhängig davon, wie intensiv und konzentriert die Radionutzung gewesen ist. Eine im Jahr 2000 in Hessen durchgeführte Untersuchung unter 2.000 Personen ab 14 Jahren hat ergeben, dass die Intensität der Radionutzung und die Aufmerksamkeit je nach Hörertyp, Tätigkeit und Senderstruktur jedoch sehr unterschiedlich ausfällt. Dabei stellte sich heraus, dass nur 8,1 Prozent der Radionutzung als sehr konzentriert und sehr aufmerksam beschrieben werden können. Bei 52,5 Prozent der Radionutzung ist die Aufmerksamkeit im Gegensatz dazu weniger stark, bei fast fünf Prozent der Radionutzung gibt es so gut wie gar keine Aufmerksamkeit. Demnach hören insgesamt über 57 Prozent der Radiohörer nur wenig oder gar nicht aufmerksam zu. Die Radiocontrol Methode misst bei ihnen dennoch eine hundertprozentige Radionutzung und liefert damit keine korrekten Ergebnisse in Bezug auf die Radionutzung. Allerdings muss festhalten werden, dass die in Hessen durchgeführte Untersuchung ebenfalls auf Erinnerungen basiert, das heißt, dass sich die Befragten an eine Radionutzung und an die dazugehörige Intensität erinnerten. Dementsprechend hätten sie bei einer Befragung durch die Media-Analyse ebenfalls die Nutzung der Programme bestätigt und wären dabei als hundertprozentige Radiohörer in die Messung eingegangen, denn auch hier wird die genaue Intensität der Radionutzung nicht erhoben. Insgesamt bleibt festzustellen, dass es mit heutigen Mitteln kaum möglich ist, die Intensität der Radionutzung dauerhaft und valide abzubilden. Auch muss festgehalten werden, dass eine sehr konzentrierte Radionutzung, also eine hundertprozentige Aufmerksamkeit für die Zwecke der werbetreibenden Industrie nicht zwingend förderlich wäre. So handelt es sich schließlich bei Radiowerbung um einen Versuch, das Publikum zugunsten des jeweiligen Werbetreibenden zu beeinflussen. Diesbezüglich haben mehrere Studien ergeben, dass die volle Aufmerksamkeit für eine optimale Beeinflussung der Zielperson eher hinderlich ist. Ist der Rezipient jedoch abgelenkt und nicht mit seiner vollen Aufmerksamkeit bei dem Radio-Spot, den er gerade hört, so kann er nach FELSER auch nicht so leicht Argumente gegen die Beeinflussung formulieren und demnach besser beeinflusst werden. Demzufolge scheint ein mittleres Aufmerksamkeitsniveau für eine Beeinflussung am besten geeignet. Sogar die Werbung selbst macht sich diese Erkenntnis zu Nutzen, indem sie ihre Botschaften in diverse ablenkende Reize einbettet. Auch KROEBER-RIEL/WEINBERG stellen fest, dass Werbewirkungen auch dann zustande kommen, wenn die Werbung nebenbei, ohne Absicht und Aufmerksamkeit aufgenommen wird. Die Tatsache, dass Radio ohnehin als Nebenbei-Medium gilt, ist ein weiteres Argument, was die Kritik an der ständig gleichstark gemessenen Intensität der Radionutzung entkräftet. Denn nach diesen Erkenntnissen gestalten die Sender ihr Programm und die Werbetreibenden ihre Spots. So ist es also unerheblich, wie genau ein Hörer einer Sendung folgt. Wichtig ist lediglich, ob ein Kontakt mit dem Sender X zu einer bestimmten Zeit hergestellt wird oder nicht. Dies kann von Radiocontrol, mit gewissen Einschränkungen, gemessen werden.
Robert Kühne, Jahrgang 1980, Diplom-Medienwirt (FH), Medienmanagementstudium an der Hochschule Mittweida, Abschluß als Diplom-Medienwirt (FH) 2007. Nach mehreren Jahren in der Radiobranche arbeitet Kühne jetzt als selbstständiger Filmproduzent in Leipzig.
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