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Andrea Schulz

Case Management in der Altenhilfe

Wirksamkeit der Hilfen für Pflegebedürftige und Angehörige

ISBN: 978-3-8366-7653-3

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2009
AuflagenNr.: 1
Seiten: 176
Abb.: 38
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Case Management als eine Methode der Sozialen Arbeit wird seit vielen Jahren in der Altenhilfe zur Unterstützung von Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf sowie deren Angehörigen eingesetzt. Mit Hilfe dieses Methodenansatzes sollen bedarfsgerechte Pflege- und Versorgungssettings gemeinsam mit den Betroffenen entwickelt, eingebunden und koordiniert werden. Dies soll unter anderem dazu beitragen, dem Grundsatz von ambulanter vor stationärer Pflege gerecht zu werden und entspricht somit auch dem vielfachen Wunsch Pflegebedürftiger, in den eigenen vier Wänden versorgt zu werden. Hierbei werden auch pflegende Angehörige in den Blick genommen, die durch Entlastungsangebote in ihrer Pflegearbeit unterstützt werden können. In Deutschland gab es bis 2009 kein flächendeckendes Beratungsangebot mit implementiertem Case Management. Jedoch gibt es regionale Projekte zur Umsetzung dieses Ansatzes, die vielfach auf eine jahrelange Erfahrung zurückblicken können. Neben den vielen positiven praktischen Erfahrungen mit dem Methodeneinsatz, stellte sich die Frage nach deren Finanzierung auf Projektebene und damit einhergehend nach deren Wirksamkeit. Wie kann Case Management also in der Praxis zum einen im Prozessverlauf einzelfallbezogen evaluiert werden und welche Gesamtaussagen zu deren Wirksamkeit können daraus abgeleitet werden? Diese Fragen sind nicht nur mit Blick auf die bisherigen Angebote von Case/Fallmanagement von Bedeutung, sondern erhalten mit dem Rechtsanspruch auf Pflegeberatung nach § 7a SGB XI seit 01.01.2009 eine besondere Brisanz. Hier haben Hilfs- und Pflegebedürftige erstmals einen Rechtsanspruch gegenüber Ihrer Pflegekasse, ein Fallmanagement im Sinne des Case Managements zu nutzen. Eine Evaluation dieser Einzelfälle und die Überprüfung der Gesamtstruktur nach der Implementation werden am Ende des Entwicklungsprozesses der Beratungslandschaft für Menschen mit Pflegebedarf stehen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.2.1.1, Finanzierung von Angeboten des Case Managements: Löcherbach fordert die Integration von Case Management als Regelleistung im Versorgungssektor. Wie bereits oben beschrieben, sind in den verschiedenen Sozialgesetzen (SGB V, IX oder XI) Koordinations- und Vernetzungsleistungen gefordert. Die Einrichtung trägerübergreifender Servicestellen nach SGB IX war in diesem Bereich grundlegend. Der Bereich Case Management wird zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nur punktuell von Kosten- oder Leistungsträgern finanziert. Sofern dies doch der Fall ist, wird das im Rahmen von zeitlich befristeten Modellvorhaben realisiert. Eine flächendeckende Finanzierung von Case Management-Strukturen ist derzeit nicht gesichert. Bislang muss davon ausgegangen werden, dass die CM-Angebote die regional verfügbar sind, über unterschiedliche Finanzierungsformen getragen werden. Neben der zeitlich begrenzten Förderung über Modellprojekte sind hierbei insbesondere kommunale Förderungen, Zuschüsse der jeweiligen Träger sowie in Ausnahmen auch einzelfallbezogene Abrechnungen mit der Pflegekasse bzw. dem Sozialhilfeträger zu nennen. Ein flächendeckendes Angebot, auf dass im Bedarfsfall von jedem betroffenen Bürger zurückgegriffen werden kann, ist somit nicht finanziert. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass ein Nachweis über die finanzielle Attraktivität von Case Management-Strukturen nur dann gelingen kann, wenn diesbezüglich mittelfristige Perspektiven in den Blick genommen werden. Es ist davon auszugehen, dass die vollständige Implementierung von CM-Angeboten eine nicht unerhebliche Investition darstellt. Zeitverzögert wird allerdings von Einsparungen z.B. durch die Verkürzung klinischer Aufenthalte, Vermeidung von Übervorsorgung oder Förderungen ambulanter statt stationärer Angebote ausgegangen. Auch an diesem Punkt wird deutlich, wie unverzichtbar eine spezifische CM-Forschung ist, um der Etablierung solcher Strukturen valide Argumentationspunkte zur Verfügung zu stellen. So könnten belastbare Aussagen über die Wirkung von CM, der Effektivität und Effizienz als zentrale Argumentation für die Verhandlung mit Kostenträgern herangezogen werden. Wenn Case Management für ältere pflegebedürftige und demenzkranke Menschen, dem in der Bundesrepublik ein hoher sozialpolitischer Stellenwert zugeschrieben wird (…) in den zukünftigen Altenhilfestrukturen etabliert werden soll, ist hier eine gesetzliche Grundlage mit gesicherter Regelfinanzierung anzustreben. . Mit der Föderalisierung des Heimrechts wird die Möglichkeit zur Schaffung von Finanzierungsstrukturen für Case Management-Angebote benannt. Daraus könnte sich aus der Verschränkung von sozialleistungsrechtlichen Vorgaben des Bundes eine Mischfinanzierung in Verbindung mit landesrechtlichen Ausgestaltungsoptionen ergeben. In diesem Zusammenhang könnten die Unabhängigkeit und einheitliche Qualifikationsmaßstäbe mit einem klaren Funktions- und Rollenkonzept solcher Beratungsangebote festgeschrieben werden. MENNEMANN beschreibt folgendes Szenario für die Finanzierung von Case Management: entsprechend dem §140 SGB V sichern Leistungsanbieter eine vergleichbare Case Management-Struktur nach Qualitätsstandards auf Fall- und Systemebene. Die Kostenträger begutachten entsprechende Anträge und übernehmen die Finanzierung. Die Pflicht zur Finanzierung dieser Strukturen sollte im Rahmen pflegebezogener Versorgungsverbünde umgesetzt werden. Als Kostenträger kommen die Pflegekassen sowie die kommunalen Sozialhilfeträger in Frage. Die Leistungsträger wären die Versorgungsverbünde, wobei die Organisation solcher Strukturen regional zu konkretisieren wäre. Die oben genannten Ansätze von Klie und Mennemann führen in ihren Kernpunkten in die Diskussion um das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz. In dessen Forderung nach Pflegestützpunkten und Pflegebegleitern bleibt abzuwarten, inwieweit Forderungen nach einem flächendeckendem Case Management entsprochen werden kann. Eine bundeseinheitliche Struktur wird es vermutlich nicht geben, denn die Kommunen behalten ihr Gestaltungsrecht im Sinne der Daseinsvorsorge zur mittel- und langfristigen Finanzierung der Pflegestützpunkte. Ob in dieser Struktur auch Angebote für Menschen mit Hilfebedarf enthalten sein werden, bleibt abzuwarten. Zugangswege zu Angeboten des Case Managements: Im gesundheitlichen Versorgungssystem ist der Hausarzt die erste und nicht selten auch einzige Anlaufstelle für ältere Menschen in gesundheitlichen Krisensituationen und schwierigen Lebenslagen. Nach §37 SGB V wird Hausärzten eine zentrale Koordinationsfunktion zugewiesen. Allerdings kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass sie diese Funktion in einem ausreichenden Maße wahrnehmen (können). Dafür sind verschiedene Ursachen zu sehen: zum einen werden die Koordinationsleistungen nicht vergütet und zum anderen fehlt es an Spezialwissen in Bezug auf pflegerische und soziale Problemstellungen. Speziell die geriatrischen Anteile in der Aus- und Fortbildung von Medizinern sind defizitär. Neben den Haus- und Fachärzten sind Krankenhäuser häufig das erste Glied in der institutionellen Rehabilitationskette. . Diese zentralen Punkte der gesundheitlichen Versorgung älterer Menschen sollten für den Hinweis auf entsprechende Beratungs- und Case Management-Angebote genutzt werden. Denkbar wäre an dieser Stelle die Einbindung von CM-Strukturen, sofern sie regional verfügbar sind, in das Entlassungsmanagement der Krankenhäuser. Besonders in Verbindung mit empfohlenen oder geplanten Umzügen in stationäre Pflegeeinrichtungen nach einem Klinikaufenthalt wäre das Angebot von neutraler Beratung folgerichtig. So könnten entweder Alternativen zur stationären Pflege aufgezeigt oder aber Pflegebedürftige und Angehörige bei der verbraucherorientierten Entscheidung für eine geeignete Einrichtung unterstützt werden. Des Weiteren ist die Sensibilisierung von Haus- und Fachärzten und deren Praxismitarbeitern auf mögliche Unterstützungsbedarfe und passende Unterstützungsstrukturen in Form von CM-Angeboten eine wichtige Maßnahme, um den Zielen des Case Management gerecht zu werden. Insgesamt sollte die Entwicklung von flächendeckenden Case Management Angeboten damit einhergehen, dass diese Angebote für alle Nutzer offen stehen und den Multiplikatoren in allen Bereichen der Altenhilfe bekannt sind. Nur so kann sichergestellt werden, dass bei vorhandenem Unterstützungsbedarf Menschen den Zugang zu diesen Angeboten erhalten. Eine Stellung von CM-Angeboten wie sie Verbraucherzentralen innehaben, oder eine Anbindung an diese wäre für eine hohe Akzeptanz ein weiterer Ansatzpunkt. Versorgungssicherheit und Vermeidung stationärer Pflege durch Case Management: In den vorhergehenden Abschnitten ist die Vielfältigkeit der Angebote und Finanzierungsmöglichkeiten in der Altenhilfe deutlich geworden. Menschen, die sich in einer komplexen Lebenslage befinden und eine Entscheidung im Sinne ihrer Versorgungssicherheit, z.B. für oder gegen einen Umzug in eine stationäre Pflegeeinrichtungen treffen müssen, stehen einer großen Herausforderung gegenüber. Das DIP konstatiert in diesem Zusammenhang: Eine eigenverantwortliche Entscheidung setzt gründliche und verständliche Aufklärung voraus. Nicht nur für Pflegebedürftige sondern insbesondere für Menschen mit Demenz ist der Verbleib in der angestammten Häuslichkeit ein wichtiger Faktor für ihre Lebensqualität und ihr Wohlbefinden. Der Verbleib in der gewohnten häuslichen Umgebung und dem bekannten Kiez trägt dem Bedürfnis nach Stabilität und Kontinuität bezüglich der räumlichen und sozialen Umwelt Rechnung. Menschen mit schweren, chronischen Erkrankungen oder Multimorbidität sind auf Grund ihrer Lebenssituation z.T. nicht in der Lage, ihre Versorgung durch die Angebote des Sozial- und Gesundheitswesens selbstständig zu organisieren. Insbesondere Lebenssituationen mit einer ungünstigen Kombination von sozialen, ökonomischen oder gesundheitlichen Problemlagen können die Nutzung von Case Management-Strukturen erforderlich machen. Die Möglichkeit der vertrauensvollen Inanspruchnahme einer Bezugsperson spielt hierbei eine wichtige Rolle. So können Schnittstellenprobleme zwischen den vielfältigen Sektoren der Hilfestrukturen neben unterschiedlichen Finanzierungsstrukturen und Zuständigkeiten verschiedener Träger von Unterstützungsleistungen gemeinsam mit dem Case Manager bewältigt werden bzw. im Rahmen von Empowerment die Menschen befähigt werden, diese selbst zu meistern. Um Menschen mit Pflegebedarf und ihre Angehörigen über geeignete Angebote informieren zu können, ist die aktuelle Kenntnis über regionale Leistungsangebote Voraussetzung. Dies trifft vor allem dann zu, wenn Versorgungsalternativen zur Heimübersiedlung gefragt sind. Dieser Anspruch kann nur umgesetzt werden, wenn das gesamte professionelle Handeln des Case Managers von seiner Methode durchdrungen ist. Schließlich geht es nicht nur um die reine Information über Versorgungsangebote und das Aufzeigen von Heimalternativen. Vielmehr müssen Lücken im Versorgungssystem, hauptsächlich bei Bedarfen in sehr komplexen Lebenslagen, erkannt und vor allem geschlossen werden, um eine Versorgungssicherheit im häuslichen Kontext herstellen zu können. Die Schlüsselstellung der Beratungsstellen zwischen individuellen Bedarfslagen einerseits und dem Angebotsspektrum andererseits hat somit den Nebeneffekt, dass Informationen über Angebotsdefizite und ggf. auch Überangebote (…) in diesem Stellen kumuliert werden, die im Hinblick auf eine bedarfsgerechte Steuerung des regionalen Versorgungssystems ausgewertet werden können. . Dieses umfassende methodische Handeln im Rahmen von Case Management soll zur Herstellung einer Versorgungssicherheit beitragen: auf der Einzelfallebene durch die Erstellung bedarfsgerechter Unterstützungsleistungen und somit zur Vermeidung ungewünschter und unnötiger Pflegeheimeinzüge sowie auf der Systemebene, durch die Schaffung entsprechender Voraussetzungen. Ob Case Management in der praktischen Umsetzung zur Sicherung der Versorgungssicherheit und Vermeidung unnötiger oder unerwünschter Einzüge in stationäre Pflegeeinrichtungen beitragen kann, wäre im Rahmen von Evaluation abschließend zu klären, um anschließend valide Ergebnisse zur Untermauerung dieser Aussage hinzuziehen zu können.

Über den Autor

Andrea Schulz, Dipl. Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin, Studium der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Kiel. Abschluss 2004. Dipl. Gerontologin, Studium der interdisziplinären Gerontologie an der Hochschule Vechta. Abschluss 2008. Derzeit tätig als Leiterin der Koordinierungsstellen Rund ums Alter in Berlin Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick. Beteiligung am Bundesmodellprojekt Werkstatt Pflegeberatung und Pflegestützpunkt mit dem Pilot-Pflegestützpunkt in Berlin-Köpenick.

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