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Psychologie


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Heutzutage wird von einer individualisierten und sexuell liberalisierten Gesellschaft gesprochen, die eine zunehmende Pluralisierung der Beziehungs- und Sexualformen für beiderlei Geschlechter ermöglicht. Ob in serieller oder synchroner Form, ob als Dyade oder Gruppe, ob mit wechselnden oder beständigen SexualpartnerInnen, ob in einer Beziehung oder außerhalb, ob hetero- oder homosexuell, ob im zwischenmenschlichen Face-to-Face-Kontakt oder anonym im Internet: Im Bereich der zwischenmenschlichen Sexualität stehen den Individuen der heutigen Gesellschaft eine Vielfalt an Begehrensformen zur Verfügung, um ihre Sexualität auszuleben. Auch das bis dato noch unerforschte Konstrukt One Night Stand kann als eine mögliche Sexualform angesehen werden, die den beteiligten Individuen die sexuelle Begegnung ermöglicht. Wie wird nun das Konstrukt ONS ge- und erlebt? Um sich einer Antwort auf diese Frage anSnähern zu können, müssen die folgenden Fragenkomplexe auf theoretischer und empirischer Ebene Betrachtung finden: Welche Handlungsphasen begleiten den ONS? Welche Funktionen lassen sich für den ONS ableiten? Gibt es Unterschiede im sexuellen Erleben und Verhalten bei Männern und Frauen? Welche Indikatoren, Merkmale und Dimensionen können das Konstrukt ONS beschreiben?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2, Weshalb wird frau (one night) intim?: Die Frage, weshalb sich eine junge Frau für einen ONS entscheidet, welche Erwartungen sie daran stellt, welche dahinterliegenden Motive sie zu der Entscheidung bringen, mit einem anderen Menschen eine Nacht zu verbringen und mit ihm sexuell zu kommunizieren, lässt sich wissenschaftlich so einfach nicht beantworten. Zunächst muss die zugrundeliegende Frage gestellt werden: Weshalb kommt es zwischen zwei Individuen zur einmaligen sexuellen Interaktion, und noch essentieller: Weshalb werden Individuen generell in unserer Gesellschaft sexuell aktiv? 2.2.1, Sexualität: Erotik, Sex, Liebe, das Sexuelle, und nicht zuletzt die Sexualität selbst sind Begriffe und Konzepte, die im Alltags-, aber auch im wissenschaftlichen Sprachgebrauch, viele ähnliche, aber auch teils unterschiedliche Bedeutungen besitzen. Allein schon wegen der thematischen Nähe zu dem Untersuchungsgegenstand des ONS aus weiblicher Sicht, bietet sich der Begriff Sexualität in dieser Arbeit an, als Oberbegriff zu fungieren und einer näheren Betrachtung unterzogen zu werden. Zudem macht die folgende Begriffseingrenzung auf ein generelles Problem aufmerksam, dass sich einstellt, wenn man sich näher mit dem Themenkomplex der Sexualität beschäftigt: Es gibt bis heute keine grundlegende Sexualtheorie, auf die sich die Sexualwissenschaft und alle angrenzenden Wissenschaften ausschließlich beziehen. Um die Komplexität des Sexualitätsbegriffs zu verdeutlichen, wird er im Folgenden zunächst anhand dreier, von Dressler und Zink (2003) eingeführten Grund-Dimensionen ausschnittsweise vorgestellt. Wie in Tab. 4 verdeutlicht, kann der Begriff Sexualität in drei Dimensionen grob unterteilt werden: die a) somatische/natürliche, die b) psychische und die c) soziokulturelle. Die einzelnen Dimensionen sind hierbei oft miteinander verquickt und somit nicht klar voneinander abzugrenzen (vgl. Dressler & Zink, 2003, S. 485f.). a) Das natürliche Moment der Sexualität. Der Begriff Sexualität wurde erstmals durch die Botaniker August Henschel und Franz Schelver (1820) in dem Buch Von der Sexualität der Pflanzen eingeführt. Sie benutzten ihn, um die Geschlechtlichkeit und Fortpflanzung von Pflanzen zu beschreiben (vgl. Henschel & Schelver, 1820). Diese Beschreibung wurde dann im Laufe des Jahrhunderts auf die menschliche Zweigeschlechtlichkeit übertragen. So entwarf Charles Darwin im Jahr 1838 die Evolutionstheorie, laut der die menschliche Sexualität, nicht anders als die tierische, der geschlechtlichen Fortpflanzung diene (vgl. Meston & Buss, 2010, S. 17). Durch die introspektive Psychologie wurde die Sexualität Ende des 19. Jahrhunderts als triebhafte Erscheinung beschrieben, die sich gewissermaßen bewusst dämpfen oder hemmen lasse, im Wesentlichen aber ein unbewusstes, biologisches Phänomen sei. Damit wurde die Sexualität ausschließlich auf das Feld der Biologie gelegt (vgl. Buda, 1977, S. 20). Der Biologe und Sexualforscher Alfred C. Kinsey (1955) definierte Sexualität lediglich als jedes Verhalten […], das in einen Orgasmus mündet (Kinsey, 1955, zitiert nach Lautmann, 2002, S. 23) - eine wahrlich biologisch-medizinische Operationalisierung des Sexualitätsbegriffs, der das psychische, sowie das soziale Moment unberücksichtigt lässt. Die biologische Dimension als maßgeblichen Wirkmechanismus für das menschliche Sexualverhalten betrachtend, jedoch die psychosozialen Aspekte einbeziehend, schlugen Masters, Johnson und Kolodny 1982 vorsichtig vor, unter Sexualität vielleicht doch eher den persönlichen Spielraum, die persönliche Bandbreite individueller Verwirklichungsmöglichkeiten [zu] begreifen als das rein körperliche erotisch-sexuelle Reaktionsvermögen eines Menschen (Masters, Johnson & Kolodny, 1993, S. 9). b) Das individuell-psychische Moment der Sexualität. Für den Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud war Sexualität ein essentieller Begriff seiner bis heute einflussreichen Triebtheorie. Auf den Lebenstrieb (Eros) seien, zusammen mit dem von Freud später eingeführten Todestrieb (Thanatos), alle Beweggründe menschlichen, aber auch tierischen Handelns zurückzuführen. Eine konstruktive Energie, ein seelisch-körperlicher Antrieb, der nicht vom Willen gelenkt erlebt wird, ein dem belebten Organischen innewohnende[r] Drang zur Wiederherstellung eines früheren Zustandes (Lohmann, 2002, S. 52) - all diese Triebzuschreibungen werden durch die Sexualität repräsentiert. Zudem entwickelt sich der Sexualtrieb , welcher individuell in biographischen Stufen abläuft und sich im Laufe der psychosexuellen Entwicklung individuell ausprägt- an dieser Stelle wird das individuell-psychische Merkmal des Sexualitätsbegriffs deutlich (vgl. Dressler & Zink, 2003, S. 497). Buda (1977) bezog den Sexualitätsbegriff auf sämtliche Erscheinungen, die mit der Befruchtung beziehungsweise mit dem Kontakt der Geschlechtsorgane in Zusammenhang stehen. Der Zusammenhang kann auch ein ferner sein es kann jedes Phänomen zur Sexualität hinzugehören, das mit der Reizung oder mit der Reizbarkeit der Geschlechtsorgane beziehungsweise mit der Beziehung der Individuen beider Geschlechter zusammenhängt (Buda, 1977, S. 48). Diese Definition verwies schon damals auf die Flexibilität der Triebobjekte und stellte die Beziehung zwischen den Individuen heraus. Dass sich die von Buda definierte Sexualität nur durch die Zweigeschlechtlichkeit bildete, ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass die Homosexualität zu dieser Zeit noch zu den Aberrationen gehörte (vgl. ebd., S. 75). c) Das sozial-erworbene Moment der Sexualität. Zu einer differenzierten, das soziale Merkmal der Sexualität hervorhebenden Definition gelangt der Soziologe Rüdiger Lautmann (2002): Sexualität ist eine kommunikative Beziehung, bei der Akteure Gefühle erleben, die eine genitale Lust zum Zentrum haben, ohne sich darauf zu beschränken. Für das sexuelle Erleben ist ein Orgasmus weder notwendige noch hinreichende Bedingung und extragenital festgemachte Emotionen gehören dazu (Lautmann, 2002, S. 24). Der Psychologe und Psychotherapeut Peter Fiedler (2010) betont zudem, im Gegensatz zur tierischen Sexualität, die soziale Funktion der menschlichen Sexualität: Wohl im Unterschied zu anderen Säugetieren dient die Sexualität dem Menschen vorrangig zur Entspannung und der intimen Erholung in der Partnerschaft (Fiedler, 2010, S. 130–131). Als letztes Beispiel für die unterschiedliche Gewichtung der drei Definitionsmerkmale des Sexualitätsbegriffs soll die radikale sozialkonstruktivistische, bzw. postmoderne (in den Gender Studies heute vor allem durch die Queer Theory vertretene) Sichtweise angeführt werden, die der Sexualität das natürliche Moment vollkommen entzieht und sogar von einer Inszenierung der Zweigeschlechtlichkeit ausgeht. Hier wird die Sexualität als Produkt historischer und kultureller Bedingungen, als ein soziokulturelles Konstrukt angesehen (vgl. Bamler, 2008, S. 44–47). Diese Sichtweise vertrat schon in den 1980er Jahren der Begründer der Diskursanalyse Michel Foucault (1977), der den sozialen Konstrukt-Gedanken hervorhebt und die Sexualität als eine gesellschaftlich geschaffene Symbolwelt versteht (vgl. Foucault, 1977 Giddens, 1993, S. 91). Anhand der soeben aufgeführten, teils unterschiedlichsten Definitionen des Sexualitätsbegriffs können, wie in Tab. 5 verdeutlicht, die einzelnen Wissenschaften mit den dazugehörigen Vertretern den drei Hauptdimensionen der Sexualität zugeordnet werden. 2.2.2, Sexualtheorien und Konzepte: Im Folgenden sollen drei Sexualtheorien vorgestellt werden, deren theoretischer Blickwinkel sich an jeweils einer der genannten drei Dimensionen orientiert. Dieses Vorgehen wurde gewählt, um auf die große Varianz der derzeit aktuellen Theoriestränge und der dazugehörigen, sehr unterschiedlichen Deutungsversuche für die menschliche Sexualität hinzuweisen. Zudem wird zu jeder vorgestellten Sexualtheorie Bezug auf die Frage genommen: Weshalb wird frau one night intim?

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