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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 148
Abb.: 16
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Forschungsarbeit betrachtet inwiefern in der aktuellen vergleichenden Staatsforschung Politikberatung als Gegenstand des Vergleichs herangezogen wird und ob signifikante Unterschiede in der Institutionalisierung bestehen. Die Studie analysiert die Schriften Arend Lijpharts zur vergleichenden Staatsforschung. Der Fokus liegt auf den zehn Variablen zur Unterteilung von Staaten in Konsensdemokratien und Mehrheitsdemokratien. Es wird die These aufgestellt, dass die Variablen seit dem Werk von 1977 Democracy in Plural Societies über Democracies von 1984 bis hin zum berühmten Werk von 1999 Patterns of Democracy relativ konstant geblieben sind. Durch die Skizzierung der Genese der zweidimensionalen Demokratieunterteilung wird die Frage aufgeworfen, ob auch andere staatsnahe Bereiche der Logik der zwei Dimensionen folgen. Ein besonders relevantes und zu testendes Feld wird ist die Politikberatung. Um den Herausforderungen der Wissensgesellschaft und der zunehmenden Dynamik des politischen Prozesses nachzukommen, gewinnt die evidenzbasierte Politikgestaltung in der politischen Praxis zunehmend an Bedeutung. Von besonderem Interesse ist in dieser Forschungsarbeit die institutionalisierte, wissenschaftliche Politikberatung. Durch die staatliche Einberufung dieser - z. B. in Form von Kommissionen oder dauerhafter Ressortberatung - ist in Besonderem Maß die Möglichkeit staatlichen Einflusses gegeben. Unterschiede im Demokratietypen - mehrheitsdemokratisch, also machtkonzentrierend - oder konsensdemokratisch, machtdispersiv - können sich also auch in der Ausgestaltung der Politikberatung widerspiegeln. Zu den analysierten Institutionen in Frankreich gehören: Conseil d´Analyse économique, Commission consultative pour la délimitation des circonscriptions legislatives, Direction générale du Trésor, sowie der Conseil Économique, Social et Environnemental. Für Deutschland werden die Monopolkommission, die Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung, der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen und der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen betrachtet. Diese Institutionen werden mithilfe eines Analyserasters auf ihre Einflussmöglichkeit zur aktiven Gestaltung von Politikergebnissen betrachtet. An der Zunahme der Literatur zur Politikberatung lässt sich die wachsende Bedeutung des Themas innerhalb der Politikwissenschaft erkennen. Selten werden jedoch vergleichende Analysen zur Politikberatung angestellt. Diese Forschungsarbeit stellt sich der Herausforderung institutionalisierte, wissenschaftliche Politikberatung zu vergleichen und eröffnet Möglichkeiten einer Einbindung in die vergleichende Staatsforschung.
Textprobe: Kapitel 2.3.3, Institutionalisierte, wissenschaftliche Politikberatung: Wissenschaftliche Politikberatung nimmt eine besondere Stellung in der Beratungslandschaft ein. Im Gegensatz zu Agenturen, Think Tanks, privaten Büros und Lobbys spezieller Interessenverbände ist wissenschaftliche Beratung nicht auf finanziellen Gewinn angewiesen und versucht in der Regel keine Partikularinteressen durchzusetzen. Eine mögliche Definition bietet Schützeichel: Wissenschaftliche Politikberatung heißt nicht, dass eine Beratung durch wissenschaftlich ausgebildete Experten stattfindet, sondern dass die Beratung sich auf wissenschaftliches, d. h. methodisch gesichertes und systematisiertes Wissen bezieht. . Demnach wird davon ausgegangen, dass wissenschaftliche Politikberatung robustes Wissen und evidenzbasierte Erkenntnisse hervorbringt. Dies kann von öffentlich finanzierten Forschungsinstituten, Akademien und Stiftungen wie auch institutionalisierter wissenschaftlicher Politikberatung erbracht werden. Die institutionalisierte Beratung unterscheidet sich wesentlich von anderen Beratungsformen. Die geschaffenen Institutionen handeln im öffentlichen Auftrag und sind an Regierung und Verwaltung gekoppelt. Einerseits sind die so geschaffenen Institutionen potenziell unabhängig (siehe Definition Stefan Bredt), andererseits werden die Gesetze zur Schaffung solcher Institutionen von denjenigen Personen erlassen, die diese nutzen. Durch die rechtliche Verankerung ist die Politik befähigt, Einfluss auf institutionelle Ausgestaltungen nehmen. Dies kann die Aufgabenstellung, die personelle Zusammensetzung, die Ressourcenausstattung, sowie die Form der Beratung betreffen. Demzufolge unterliegen diese Merkmale dem staatlichen Gestaltungsspielraum, der systemabhängig differieren kann. Institutionelle Politikberatung kann zudem innerhalb eines Ressorts und zwischen verschiedenen Ressorts unterschiedlich gestaltet sein. Dennoch ist davon auszugehen, dass aufgrund gesetzlicher Vorschriften eines Staats ein bestimmtes Institutionalisierungsmuster bevorzugt wird. Zu den grundsätzlichen Formen gehören: (1) zeitlich unbefristete, fachlich grob begrenzte Dauerberatung, die zumeist kollektiven Akteuren aufgegeben ist, (2) zeitlich befristete, fachlich stärker eingesetzte Beratung, die eigens dafür gegründeten Arbeitsgruppen übertragen wird, (3) sporadische, tlw. gesetzlich vorgeschriebene Beratung, (4) eine unregelmäßige, politisch gewollte wechselseitige Beratung von Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft, (5) Modellversuche zur Verwirklichung neuer Konzepte, (6) Mediation zwischen unterschiedlichen Interessen, (7) gelegentliche, förmliche Vergabe von Gutachten. Diese Aufstellung verdeutlicht, dass durch gesetzliche Regelungen unterschiedliche Formalisierungsgrade festgelegt werden können und somit die Kopplung an Ministerien und Regierung nicht gleich stark ausgebaut ist. Da die Nutzung dieser Beratungsformen nicht obligatorisch ist, stehen den Entscheidungsträgern zusätzlich auch interne Experten (In-House-Beratung) zur Verfügung. Die Fragen nach der Funktion und dem Einflusspotenzial wissenschaftlicher Politikberatung lassen sich folglich nicht pauschal beantworten. Versteht man Beratung in Ministerien als wissenschaftliche Ergänzung, so kann geschlossen werden, dass das Einflusspotenzial der Politikberatungsinstitutionen mit demjenigen der Verwaltung in Beziehung steht. Da jedoch von unterschiedlichen Funktionen der institutionellen Beratung ausgegangen wird, lässt sich das Einflusspotenzial der Verwaltung nicht vollständig auf dasjenige der Beratung übertragen. In einer vergleichenden Länderstudie zu potenziellen Einflussmöglichkeiten von Regierungsbürokratien wurden auf Basis einer empirischen Untersuchung drei Bestimmungsgrößen für hohes Einflusspotenzial identifiziert: die Möglichkeit des administrativen Agenda-Settings, Potenzial für erfolgreiche strategische Interaktion, die Möglichkeit zur administrativen Zielverschiebung. Die anschließende Messung von 21 OECD-Ländern ergab, dass vor allem Bürokratien kontinentaleuropäischer Staaten (Frankreich, Belgien, Österreich, Schweiz, Deutschland) ein hohes Einflusspotenzial besitzen, hingegen angelsächsischen und skandinavischen Bürokratien (USA, Finnland, Dänemark, Neuseeland, Schweden) wenig politische Handlungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass auch die Institutionalisierung der Politikberatung innerhalb der OECD-Staaten stark divergiert. Ein Einfluss des jeweiligen Demokratietypus ist in Anbetracht der Ergebnisse der Bürokratiemessung nicht auszuschließen. Neben der Messung der Bürokratien lassen sich auch Versuche zur Erfassung des Einflusses und der Funktion institutioneller Politikberatung ausmachen. Beispielsweise existieren für die deutsche Beratung Erfahrungsberichte von (ehemaligen) Beratungsmitgliedern oder Politikern. Trotz der informellen Darstellung sind Parallelen zwischen den Erfahrungen der Praktiker und politikwissenschaftlichen Annahmen vorhanden. Renate Mayntz stellt am Beispiel deutscher Gremien, Enquete-Kommissionen und Sachverständigenräten Merkmale auf, die der Funktionsmessung institutionalisierter Beratungsformen dienen sollen. Die meisten Merkmale werden unabhängig von Mayntz auch von Praktikern, sowie weiteren Wissenschaftlern aufgeführt. Die Merkmale zur Bestimmung des Einflusspotenzials institutionalisierter Politikberatung decken sich überdies mit denjenigen der Bürokratiemessung. Zu den Merkmalen gehören nach Mayntz: (1) Anbindung des Gremiums an Regierung, Parlament, Ministerialbürokratie und seine im öffentlichen Auftrag benannten Adressaten (z. B. auch die Öffentlichkeit!), (2) die Aufgabe oder spezielle Funktion, und wieweit sie eng und spezifisch oder breit und diffus definiert ist (3) die Zusammensetzung des Gremiums (Anteil von Wissenschaftlern, Verbandsvertretern, Abgeordneten, Behördenmitgliedern), (4) das vorgesehene Arbeitsverfahren (z. B. Abstimmung oder nicht, Aufträge vergeben oder nicht, Anhörung oder nicht), (5) die Existenz und Ausstattung einer Geschäftsstelle. Diese Merkmale, aufgestellt für das deutsche Beratungswesen, lassen sich ebenso auf institutionalisierte Beratung in anderen Demokratien übertragen. Durch die Nähe zu den Indikatoren internationaler Institutionenvergleiche wird deutlich, dass es sich um grundsätzliche Merkmale handelt, die auch in anderen Staaten derart ausgeprägt sein können. Die staatsnahe Beratung weist ein breites Spektrum an Institutionalisierungsformen politischer Beratung auf. Um die unterschiedlichen Ausgestaltungen in Verbindung zu dem Demokratietypus setzen zu können, bedarf es der Einschätzung potenzieller Einflussmöglichkeiten. Da Beratung für den Staat jedoch nicht nur den Zweck hat, evidenzbasierte Ergebnisse bereitzustellen, sondern auch dem Auftrag der Gesellschaftsberatung nachkommen soll, müssen Interaktionsmuster zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit berücksichtigt werden. Möglichkeiten zur systematischen Erfassung der Interaktionsstrukturen werden in theoretischen Modellen der Politikberatung erarbeitet. Des Weiteren sollen die wichtigsten Erkenntnisse dieser Theorien dargestellt werden, um daraufhin aus den unterschiedlichen Ansätzen einen methodischen Rahmen zum Vergleich institutionalisierter Politikberatung in demokratischen Systemen zu erstellen.
Kristina Viciska wurde 1985 in Skopje geboren, sie wuchs in Hannover auf. Ihr Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie an der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig und dem Institute d´Ètudes Politiques in Toulouse schloss sie mit dem akademischen Grad Magistra Artium erfolgreich ab. Während ihres Studiums sammelte die Autorin als Studentische Hilfskraft praktische Erfahrungen im Bereich der Forschung am Lehrstuhl für Innenpolitik der TU Braunschweig. Nach ihrem Studium arbeitete sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Publikationsprojekt und im Bereich der Lehre am Lehrstuhl für Innenpolitik. Motiviert durch das Studium in Frankreich sowie der Mitarbeit an der französich-deutschen NGO Cife-Berlin, widmete sich die Autorin der Thematik des vorliegenden Buches.
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